Affiliation:
1. Novartis Institutes for BioMedical Research Novartis Pharma AG CH‐4002 Basel
Abstract
Zusammenfassung„Fehlgeschlagene“ Versuche führen manchmal zu überraschenden Erkenntnissen, die bedeutender sein können als die beabsichtigten Resultate. Henry Dales genaue Beobachtungsgabe und wissenschaftlicher Instinkt, aus seinen „misslungenen“ Versuchsdurchführungen richtige Schlüsse zu ziehen, sind Paradebeispiele für die Innovationskraft der Zufallsbeobachtung, der Serendipität. Als er 1906 die bekannte blutdrucksteigernde Aktivität des Adrenalins durch Ergotalkaloide umkehren konnte, erklärte er den beobachteten Effekt mit der Existenz zweier entgegengesetzter Wirkungen des Hormons. Sein Postulat zweier Typen von receptive Substances, die in den Arterien lokalisiert seien, wurde erst vierzig Jahre später mit der Entdeckung der α‐ und β‐Adrenorezeptoren bestätigt. Bei der Verabreichung eines Ergotextraktes und der dadurch induzierten Reduktion der Herzrate stieß Dale auf die Aktivität des Acetylcholins, das sein Projektteam erstmalig aus einer biologischen Quelle isolierte. Der deutsch‐US‐amerikanische Pharmakologe Otto Löwi, Henry Dale und Wilhelm Feldberg zeigten die Übereinstimmung des Acetylcholins mit dem unbekannten „Vagusstoff“, den Löwi zuvor in seinem historischen Froschherzexperiment entdeckt hatte, womit er die chemische Signalübertragung von Nervenreizen bewies. Das uterotone Ergotoxin hingegen geriet zu einem herben Rückschlag für Henry Dale und Burroughs, Wellcome & Co., da es die Erwartungen der britischen Mediziner nicht erfüllte. Erst 1918 gelang dem schweizerischen Naturstoffchemiker Arthur Stoll bei der Sandoz AG in Basel die Isolierung des ersten reinen Ergotalkaloids, des Ergotamins. Der Metabolit wurde 1921 in die Gynäkologie und Geburtsheilkunde eingeführt und wenig später zur Behandlung des akuten Migräneanfalls zugelassen. 1922 konnte Dale nicht mehr ausschließen, dass andere Substanzen als Ergotoxin und Ergotamin die eigentlichen therapeutisch relevanten Wirkstoffe des Mutterkorns sein könnten. 1932 war die Sensation perfekt, als der junge schottische Frauenarzt Chassar Moir die uterotone Aktivität eines Moleküls des Mutterkorns nachwies, das bis dahin unentdeckt geblieben war.
Reference4 articles.
1. Der gehörnte Roggen. Ein chemischer Blick auf den Isenheimer Altar
2. Der Rote Keulenkopf – die erstaunliche Karriere eines Pilzes
3. der zweite (https://doi.org/10.1002/ciuz.202210027) und dritte Teil jeweils in den darauffolgenden Heften 2 bzw. 3/2023.
4. Die umfangreichen Literaturzitate und Anmerkungen zum vorliegenden Artikel finden Sie unterwww.chiuz.debei diesem Aufsatz als supporting information.