Affiliation:
1. Novartis Institutes for BioMedical Research Novartis Pharma AG CH‐4002 Basel
Abstract
ZusammenfassungAlle Ausgangsverbindungen für Ergot‐Medikamente, unter denen Lysergsäure die wichtigste ist, konnten anfangs nur über die Kultivierung der Sklerotien auf Roggenpflanzen gewonnen werden. 1960 und 1964 gelang italienischen Projektteams unter Leitung des deutsch‐britischen Chemikers Ernst Boris Chain und der Naturstoffforschung der Sandoz AG in Basel der Durchbruch in der fermentativen Produktion von Lysergsäureverbindungen in Bioreaktoren. In den USA klärte der deutsche Chemiker Heinz Floss die Biosynthese der Lysergsäure und weiterer Ergotalkaloide auf, indem er Pilzflüssigkulturen radioaktiv markierte Bausteine zusetzte. 1999 identifizierten die Arbeitsgruppen von Paul Tudzynski (Universität Münster) und Ullrich Keller (TU Berlin) im Genom des Roten Keulenkopfs das gesamte Gencluster der Ergotaminbiosynthese, das die enzymatischen Schritte zur Ergotaminbildung orchestriert. Die Ergotoxikose des Menschen tritt heute nur noch sporadisch in Entwicklungsländern auf, wo Maßnahmen zur Reduktion des Mutterkorns in der Ernte und eine engmaschige Überwachung des Toxingehalts im Getreide nicht durchgehend eingehalten werden können. Ihr gegenüber ist der gangränöse Ergotismus durch kontaminierte Futtergräser in der Weidetierhaltung noch immer ein weltweites Problem für die Landwirtschaft und Zuchtbetriebe. Die Rezeptoren, über die Ergotalkaloide eine gangränöse Toxikose hervorrufen können, sind heute verstanden. Die auffallende Ähnlichkeit der Symptome des konvulsiven Ergotismus und des medikamentösen „Serotonin‐Syndroms“, wie sie der australische Neurologe Mervyn J. Eadie aufzeigte, ist ein passabler Analogieschluss, welche Rezeptortypen an dieser Form einer Ergotoxikose beteiligt sein könnten. 2022 klärte der US‐amerikanische Pharmakologe Bryan Roth mit Hilfe der neuartigen Kryoelektronenmikroskopie die Bindung des LSD an die 5‐HT2A/2B‐ Rezeptoren auf. Anhand der hochaufgelösten neuen Strukturdaten konnte der chinesische Forscher Sheng Wang Moleküle designen, die im Mäusemodel antidepressiv wirkten, ohne halluzinogen zu sein. Gegenwärtig wird LSD in der klinischen Psychiatrie wieder erforscht, um seinen therapeutischen Nutzen bei schwer behandelbaren Depressionen, Traumafolgestörungen, Angstzuständen oder beim Clusterkopfschmerz zu bewerten.
Reference6 articles.
1. Der gehörnte Roggen. Ein chemischer Blick auf den Isenheimer Altar
2. Der Rote Keulenkopf – die erstaunliche Karriere eines Pilzes
3. der zweite (https://doi.org/10.1002/ciuz.202210027)
4. dritte (https://doi.org/10.1002/ciuz.202310002)
5. vierte (https://doi.org/10.1002/ciuz.202310014) und fünfte Teil jeweils in den darauffolgenden Heften 2 bis 5/2023.