Entwicklung der Charakteristika von Notaufnahmen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie

Abstract

Zusammenfassung. Fragestellung: Stationäre Notaufnahmen aufgrund einer psychischen Krise stellen einen erheblichen Anteil der stationären Aufnahmen kinder- und jugendpsychiatrischer Kliniken dar und haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Die Studie untersucht, wie sich Charakteristika dieser Patient_innengruppe einer universitären Versorgungsklinik über zwei Jahrzehnte hinweg verändert haben. Methodik: Es erfolgte eine retrospektive Auswertung der Notaufnahmen der Jahrgänge 1996, 2002, 2008 und 2014 der KJPPP Tübingen bezüglich soziodemografischer Daten, psychosozialer Umstände und Diagnosen. Ergebnisse: Insgesamt wurden N = 403 Notaufnahmen ausgewertet. Es zeigte sich eine Steigerung von Notaufnahmen im genannten Zeitraum von 405 %. Bezüglich der psychosozialen Umstände ergab sich eine Zunahme von Familiensituationen mit getrennten Eltern. Des Weiteren war bei den Patient_innen eine deutliche Zunahme von Mehrfachdiagnosen festzustellen. Schlussfolgerungen: Über den Zeitraum 1996 bis 2014 ist ein erheblicher Anstieg von Notaufnahmen zu verzeichnen. Des Weiteren bestehen Hinweise auf ungünstigere psychosoziale Rahmenbedingungen und komplexere Erkrankungssituationen in späteren Jahren. Die Ergebnisse unterstreichen den Handlungsbedarf hinsichtlich der klinischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen in akuten psychischen Krisen und deren Prävention, aber auch einer breiten gesellschaftlichen Diskussion zur Verbesserung der psychischen Gesundheit in der Entwicklung. Es besteht dringender Bedarf an prospektiven Studien zur differenzierten Betrachtung der Faktoren, die zum Anstieg von Notaufnahmen von Kindern und Jugendlichen führen.