Affiliation:
1. Institut für angewandte Versorgungsforschung (inav), Berlin
2. Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Sektion für Bewegungsstörungen und Neurostimulation, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Mainz
3. Katholische Kliniken Ruhrhalbinsel, Klinik für Neurologie, Essen
4. St. Joseph Krankenhaus Berlin Weißensee, Klinik für Neurologie, Berlin
5. Praxis für Neurologie und Psychiatrie Hamburg Walddörfer, Hamburg
6. Universitätsklinikum Erlangen, Abteilung für Molekulare Neurologie, Erlangen
7. Universitätsklinikum Marburg, Klinik für Neurologie, Marburg
8. Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung
Abstract
Zusammenfassung
Hintergrund Wenig ist über die patientenseitig wahrgenommene Versorgungssituation des Morbus Parkinson in Deutschland bekannt. Im Einzelnen besteht ein gesteigertes Interesse der Versorgungsforschung, besser zu verstehen, welche Rolle verschiedene Akteure im Versorgungsprozess über den Krankheitsverlauf hinweg einnehmen, welche möglichen Unterschiede zwischen Versorgungsstrukturen bzw. -regionen bestehen und wie sich die Zufriedenheit der Patienten in Bezug auf die individuelle Versorgungssituation darstellt.
Methodik Im Jahr 2016 wurde aus diesem Grund eine Querschnittsbefragung unter Mitgliedern der Deutschen Parkinson Vereinigung (dPV) durchgeführt und Daten von 1273 Mitgliedern erhoben. Der angewandte Fragebogen umfasste unter anderem die Dimensionen der ärztlichen Versorgung (Diagnostik, medikamentöse Therapie, Betreuung) und der bezogenen Begleittherapien. Deskriptive und inferenzstatistische Auswertungen dieser beiden Dimensionen sind Teil der vorliegenden Arbeit.
Ergebnisse Nach Aussage der Befragten erfolgte die endgültige Diagnosestellung des Morbus Parkinson zu 61,0 % (n = 787) durch Fachärzte mit der Spezialisierung Neurologie und/oder Psychiatrie (Neurologen/Psychiater) und zu weiteren 17,4 % (n = 222) in einer neurologischen Klinik. 50,0 % der Befragten geben an, nach initialen Symptomen, die sie mit Parkinson assoziierten, ein Jahr oder länger auf ihre Diagnose gewartet zu haben. Die medikamentöse Therapie wurde in der Folge in 90,1 % (n = 1089) durch Neurologen/Psychiater eingeleitet. Vor der Diagnosestellung konsultierten Patienten aufgrund initialer mit Morbus Parkinson assoziierter Symptome mindestens einmal zu 69,0 % (n = 878) einen Allgemeinmediziner, zu 37,6 % (n = 436) einen Neurologen/Psychiater, zu 29,4 % (n = 374) einen Orthopäden und zu 23,9 % (n = 304) einen Internisten. Bei stratifizierter Betrachtung nach Wohnortgröße zeigt sich, dass der Anteil der Diagnosen durch Allgemeinmediziner und Internisten in ländlichen Regionen mit weniger Einwohnern graduell zunimmt: Großstadt 5,8 %, n = 17; Mittelstadt 7,7 %, n = 19; Kleinstadt: 9,9 %, n = 28; Gemeinde: 12,7 %, n = 30 (χ2 (3, n = 1063) = 8,521; p = 0,036). Die Therapieeinleitung durch Allgemeinmediziner und Internisten war in ländlichen Regionen mehr als doppelt so wahrscheinlich wie in urbanen Regionen (OR:2,16; 95%-CI:1,36 – 3,44, p = 0,001, adjustiert für Geschlecht und Alter).
Bei einem durch den Allgemeinmediziner/Internisten diagnostizierten Morbus Parkinson erfolgte die Therapieeinleitung signifikant später (χ2 (3, n = 799) = 13,094; p = 0,004). Als Begleittherapie erhielten die Patienten am häufigsten Physiotherapie 85,0 % (n = 1032); gefolgt von Logopädie (30,4 %, n = 284) und Ergotherapie (27,4 %, n = 246). Die Wahrnehmung der Zufriedenheit divergiert zwischen ärztlicher Versorgung und Begleittherapie (Skala: 0 = gar nicht zufrieden bis 5 = sehr zufrieden). Für die Zufriedenheit mit der Anzahl der Arztbesuche lag der Mittelwert bei 4,4 (SD: ± 1,3). Die durchschnittliche Bewertung des Umfangs der erhaltenen Begleittherapie (Skala: 0 = gar nicht ausreichend bis 5 = absolut ausreichend) lag für Ergotherapie bei 2,3 (SD: ± 2,0), für Logopädie bei 2,4 (SD: ± 2,0) und für Physiotherapie bei 3,0 (SD: ± 1,7).
Schlussfolgerung Die Ergebnisse der Querschnittserhebung zur wahrgenommenen Versorgungsituation geben wieder, dass Parkinson-Patienten aus dem Kollektiv der dPV in der prädiagnostischen Phase verschiedene Facharztgruppen wie Allgemeinmediziner, Orthopäden und Internisten konsultieren, während Diagnose und Therapieeinleitung vordergründig bei den Neurologen/Psychiatern verortet ist. Regionale Unterschiede in der Versorgungsstruktur spiegeln sich in den Ergebnissen nicht ausgeprägt wider und begrenzen sich auf eine anteilig gewichtigere Rolle der Allgemeinmediziner und Internisten in ländlichen Regionen. Wohnortübergreifend scheinen Begleittherapien nicht zur ausreichenden Zufriedenheit der Patienten in die Versorgung integriert zu sein.