Affiliation:
1. r-connect GmbH, Basel
2. Verband forschender Arzneimittelhersteller e.V. (vfa),
Berlin
3. Medizinische Hochschule Hannover
Abstract
Zusammenfassung
Hintergrund/Fragestellung Neue wissenschaftliche Erkenntnisse aus
der Grundlagenforschung prägen zuletzt einen Paradigmenwechsel in der
klinischen Forschung hin zu mehr gezielten Therapieansätzen. Zusammen
mit dem vom Gesetzgeber ausdrücklich gewünschten Forschungsfokus
auf seltene Krankheitsbilder führt dies zu einer Herausforderung
für die Durchführbarkeit von randomisiert-kontrollierten Studien
(RCTs). Diese Untersuchung befasst sich mit dem Umgang des Gemeinsamen
Bundesausschuss (G-BA) mit der best-verfügbaren Evidenz bei
Nutzenbewertungen von Arzneimitteln ohne RCT.
Methoden Es wurden die im Zeitraum 1.1.2017 bis 1.4.2022 begonnenen
AMNOG-Verfahren für neue Arzneimittel nach dem erstmaligen
Inverkehrbringen und ohne Vorliegen einer RCT aus der
vfa-AMNOG-Verfahrensdatenbank selektiert. Die in den Verfahren vorgelegten
Studien wurden identifiziert und die Akzeptanz dieser Evidenz seitens des G-BA
anhand der Beschlussunterlagen wurde untersucht.
Ergebnisse Im Untersuchungszeitraum wurden 536 abgeschlossene
AMNOG-Verfahren identifiziert, davon waren 215 Erstbewertungen nach dem
erstmaligen Inverkehrbringen. Bei 42 Verfahren zu insgesamt 37 Arzneimitteln lag
für die Bewertung keine RCT vor. In allen 42 Verfahren wurde seitens des
pharmazeutischen Unternehmers mind. eine einarmige Studie (SAT) vorgelegt.
Darunter wurden in 19 Verfahren≥2 SATs, in 27 Verfahren ein oder mehr
indirekte Vergleiche (ITC) und in vier Verfahren weitere Daten unter
Einbeziehung von Real World Evidence (RWE) vorgelegt. Diese Evidenz wurde durch
den G-BA in 20 (47.6%) Verfahren herangezogen, wobei es sich hierbei in
allen Fällen um Orphan Drugs handelt. In 6 dieser Verfahren
(14.3%) wird die best-verfügbare Evidenz für
vergleichende Aussagen seitens des G-BA herangezogen. In weiteren 7
(16.7%) der Verfahren erfolgt der Hinweis, dass das Medikament in
Einzelfällen eine relevante Therapieoption darstellen kann. Bei 16
Verfahren (38.1%) wurde eine Befristung ausgesprochen. Für 22
der 42 Verfahren lagen zusätzlich Information für das
Arztinformationssystem vor. Eine darin erkennbare Berücksichtigung der
Daten erfolgte nur bei 3 OD-Verfahren.
Schlussfolgerung Die Untersuchung zeigt einen vorwiegend ablehnenden
Umgang des G-BA mit best-verfügbarer Evidenz aus nicht-randomisierten
Studienergebnissen. Eine explizite Berücksichtigung solcher Daten durch
den G-BA für die Bewertung und Quantifizierung des Zusatznutzen erfolgt
nur in sehr seltenen Ausnahmefällen. Angesichts der
medizinisch-wissenschaftlichen Entwicklung besteht Bedarf Kriterien zu
erarbeiten, wann ein RCT im Rahmen eines klinischen Entwicklungsprogramms nicht
anwendbar ist und wie bei Nutzenbewertungen von Arzneimitteln ohne RCT auf Basis
der best-verfügbaren Evidenz vergleichende Aussagen zum Zusatznutzen
möglich sind.