Abstract
Während Hoffnungen und Erwartungen an die nächste Generation in vielen Ländern des Globalen Nordens von Familientraditionen, Geschlechterstereotypen und Klassenzugehörigkeit geprägt sind, sind sie in Ländern des Globalen Südens eng mit dem Entwicklungsdiskurs und den damit verbundenen Prozessen des sozialen Wandels verbunden. In diesem Diskurs scheint westliche Schulbildung nicht nur im Hinblick auf die eigene Zukunft sondern auch auf die Entwicklung der Gesellschaft die einzige Alternative zu sein. Der Artikel thematisiert die Verknüpfung von Entwicklungsdiskursen und den persönlichen Aspirationen von Eltern und ihren Kindern anhand der Turkana, einer ethnischen Gruppe, die im Norden Kenias ansässig ist. Anhand der Biographien dreier Frauen und ihrer inzwischen erwachsenen Kinder wird deutlich, dass angesichts der wirtschaftlichen Situation des kenianischen Nationalstaates und der Marginalisierung der Turkana innerhalb des Nationalstaates westliche Schulbildung nicht nur viele junge Menschen, sondern auch ganze Familien in eine Falle führt. Diversifizierungsstrategien werden aufgegeben; alles wird auf eine Karte (Schulbildung) gesetzt. Das wiederum untergräbt die Voraussetzungen, die in vielen Fällen zum Erfolg der Schulkarriere geführt haben. Immer weniger Familien können auf Ressourcen in der mobilen Viehwirtschaft zurückgreifen und von Zeit zu Zeit Vieh verkaufen, um ihren Kindern eine kontinuierliche und erfolgreiche Schullaufbahn zu sichern. Dies führt zu einer zunehmenden Kluft zwischen den Aspirationen und den Möglichkeiten und Chancen, die jungen Turkana und ihren Familien im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Einzelne (erfolgreiche) Absolvent*innen sind mit hohen Erwartungen und vielen Verpflichtungen konfrontiert, die es ihnen schwermachen, ihren Erfolg an die nächste Generation weiterzugeben. Auch aus diesem Grund kann man von einer „Bildungsfalle“ sprechen.
Publisher
Verlag Barbara Budrich GmbH
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