Affiliation:
1. Zentrum für Kinderheilkunde der Universität Bonn
Abstract
Konversionsstörungen umfassen nichtepileptische Anfälle sowie sensorische oder motorische Funktionsausfälle (Gangstörungen, Kraftverlust und Lähmung, Sprechstörungen) ohne organmedizinische Ursache. Sie nehmen in klassifikatorischer, ätiologischer und therapeutischer Hinsicht eine Zwischenstellung zwischen den somatoformen und dissoziativen Störungen ein. Bei hohen Raten psychopathologischer Vulnerabilität und Komorbidität können traumatische Erfahrungen, akute Belastungsfaktoren sowie aktuell überfordernde Entwicklungsaufgaben als Auslöser wirken. Besonders typisch ist ein emotional invalidierendes Familienklima, das den authentischen und direkten Ausdruck von Bedürfnissen und Befindlichkeiten des Kindes hemmt. Die Manifestation der Konversionssymptome erfüllt einerseits eine entlastende und verstärkende Funktion, erzeugt andererseits aber neue Belastungsfaktoren wie funktionelle Behinderung, Einschränkungen der sozialen und schulischen Teilhabe, hypochondrische Sorge vor einer unerkannten Grunderkrankung sowie Angst vor Stigmatisierung als Simulant oder psychisch Kranker. Ein Störungsmodell wird vorgestellt, das auch als Grundlage für einen Leitfaden zur klinisch-psychologischen Exploration, Anamneseerhebung, Fallkonzeption sowie das das Procedere der Diagnosemitteilung dient. Patientenorientierte Metaphern werden im Rahmen der Psychoedukation eingesetzt, um die Entstehung der Symptomatik trotz intakter neuronaler Reizleitung für Patient und Eltern nachvollziehbar zu gestalten. Die psychotherapeutische Intervention startet mit einer schrittweisen Wiederaufnahme altersgerechter Aktivitäten und Rollen. Physiotherapie zum Training der geschwächten Muskulatur wird initiiert, um dem Patienten ein Ritual anzubieten, das eine Wiederherstellung der Funktionsausfälle ohne Gesichtsverlust ermöglicht. Psychotherapeutische Strategien im engeren Sinne greifen die vorgegebene Dissoziation des Bewusstseins von der körperlichen Symptomatik auf. Altersgerecht wird dem Kind ein Persönlichkeitsanteil beschrieben, der die Symptomatik überwinden will, ein anderer Persönlichkeitsanteil wird gegenübergestellt, der die Konversionssymptomatik und dessen Anliegen repräsentiert. Der Therapeut entwickelt und moderiert mit dem Kind Lösungen, die geeignet sind, beide Persönlichkeitsanteile wieder neu zu integrieren und damit die Dissoziation zwischen Bewusstsein und körperlicher Symptomatik aufzulösen.
Subject
Psychiatry and Mental health,Developmental and Educational Psychology,Pediatrics, Perinatology and Child Health
Cited by
4 articles.
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1. Psychische Auffälligkeiten in der pädiatrischen Praxis;Monatsschrift Kinderheilkunde;2013-12-08
2. Psychische Störungen im Jugendalter: Aktuelle Therapietrends;Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie;2013-09-01
3. Somatoforme Störungen;Monatsschrift Kinderheilkunde;2012-08
4. Dissoziation und Konversion;Kindheit und Entwicklung;2011-07