Affiliation:
1. Institut für Geschichte, Ethik und Theorie der Medizin, Medizinische Fakultät , Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg , Magdeburg , Deutschland
Abstract
Zusammenfassung
In den letzten Jahren ist die Geschichte der humangenetischen Beratung zunehmend Gegenstand medizin- und wissenschaftsgeschichtlicher Forschungen geworden. In diesem Artikel untersuche ich anhand von Archivmaterial und medizinischer Fachliteratur der damaligen Zeit die Etablierung und Ausgestaltung der humangenetischen Beratung in der DDR von den 1960er Jahren bis zum Fall der Berliner Mauer 1989. Die Initiative zur Einrichtung eines humangenetischen Beratungsdienstes in der DDR startete in den 1960er Jahren und ging auf Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zurück, die sich mit humangenetischen Problemen befassten, und in ihrer politischen Einstellung heterogen waren. In den 1970er und 80er Jahren wurde ein flächendeckendes Netz von humangenetischen Beratungsstellen geschaffen, die entweder an Universitätseinrichtungen oder an Bezirkskrankenhäusern angesiedelt waren. Trotz der zentralen Steuerung gab es einen beträchtlichen Unterschied zwischen den einzelnen Bezirken. In der DDR führten sowohl Biologen und Biologinnen als auch Ärzte und Ärztinnen humangenetische Beratungen durch. Mit ihrem Fokus auf einzelne Individuen bzw. Familien und ihrer Ablehnung jeglicher Art von Zwang setzten sich die Humangenetiker und Humangenetikerinnen von den eugenischen Praktiken der NS-Zeit ab. Dennoch ließen sie – wie auch in der BRD – populationsgenetische Zielsetzungen nicht völlig außer Acht. Auch in ihrer Zielsetzung – die Geburt behinderter Kinder zu verhindern und die Geburt gesunder Kinder zu fördern – unterschied sich die humangenetische Beratung in der DDR nicht von anderen, auch nicht-sozialistischen Staaten. Diese Absicht war nicht staatlich vorgeschrieben, sondern Ausdruck einer gesellschaftlichen Haltung, die Behinderung mit Leiden gleichsetzte.
Subject
Genetics (clinical),Genetics
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