Abstract
ZusammenfassungIn realen Unterrichtssituationen diagnostizieren Lehrkräfte aufgrund enormer Interaktionsdichten sowie hoch komplexer Unterrichtssituationen unter psychischer Anspannung wie Stress. Durch Stress können kognitive Kapazitäten gebunden werden, was Prozesse beim Diagnostizieren, wie die Wahrnehmung und die Interpretation von Aufgabenschwierigkeiten, beeinträchtigen kann.Die vorliegende Studie untersuchte in einem experimentellen Design den Einfluss von Stress auf Wahrnehmungs- und Interpretationsprozesse beim diagnostischen Urteilen. Hierzu schätztenN = 64 Mathematiklehramtsstudierende die Schwierigkeit von acht mathematischen Textaufgaben im Bereich von Brüchen ein. Die Wahrnehmungsprozesse wurden mithilfe von Blickbewegungen durch die Methode des Eye Trackings erhoben und anhand ausgewählter globaler Maße (Dauer des Blickpfades, Fixationsdauer, Anzahl der Fixationen ab 250 ms und Sakkadenamplitude) analysiert. In Kombination mit Verbalprotokollen wurden die Interpretationsprozesse ausgewertet. Anhand der Analyse von Cortisolwerten aus Speichelproben während des Diagnostizierens wurde das Stressniveau der Teilnehmenden objektiv erfasst. Aufgrund der Bindung kognitiver Kapazitäten durch Stress wurden Veränderungen sowohl in den Wahrnehmungs- als auch in den Interpretationsprozessen erwartet. Die Ergebnisse der Blickbewegungsanalysen zeigten eine kürzere Blickpfaddauer, eine kürzere Fixationsdauer sowie eine geringere Anzahl an Fixationen mit einer Dauer ab 250 ms bei Teilnehmenden unter Stresserleben. Die Verbalprotokolle unterschieden sich qualitativ zwischen den Gruppen. Die veränderten Maße können als Indikatoren der veränderten Wahrnehmungs- und Interpretationsprozesse der Experimentalgruppe interpretiert werden.Die Studie gibt erste Hinweise auf den Einfluss von Stress auf diagnostische Prozesse im anwendungsbezogenen Schulkontext.
Funder
Pädagogische Hochschule Heidelberg
Publisher
Springer Science and Business Media LLC
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