Abstract
ZusammenfassungDieser Beitrag untersucht, wie sich mit der Entwicklung digitaler Gesundheitstechnologien das Verständnis von Krankheit und Gesundheit ändert. Digitale Technologien sind in einem bedeutsamen Sinn transgressiv. Sie gehen über die kurative und präventive Medizin hinaus und überschreiten die Grenzen zu einer wunscherfüllenden Medizin, die nach Verbesserung und Optimierung des menschlichen Körpers und seiner Leistungsfähigkeit sucht. Vor allem ist digitale Medizin eine Vision. Nicht, was es bereits gibt, sondern was möglich sein könnte, wird mit diesem Begriff in Verbindung gebracht. Digitale Medizin gibt ein Versprechen ab: Wenn es gelingt, medizinisches Wissen und gesundheitsbezogene Daten umfassend zu integrieren, wird es möglich, Krankheiten besser zu heilen, ja sogar ihr Auftreten zu verhindern. In Form eines medizinischen Avatars gießt sich diese Vision in eine konkrete technologische Gestalt. Ein solcher digitaler Zwilling stellt ein Abbild aller physiologischen und psychischen Vorgänge bereit, auf dessen Basis gesundheitsbezogene Prozessabläufe simuliert und therapeutische Maßnahmen evaluiert werden können. Aufgabe sozialwissenschaftlicher Reflexion ist es nun, im Sinne eines Vision Assessments die Implikationen neuer Technologien zu diskutieren, bevor sie Realität geworden sind. Besonders bedeutsam sind im diskutierten Zusammenhang die technologisch vermittelten Möglichkeiten eines lückenlosen Monitorings und einer umfassenden Simulation. Durch digitale Gesundheitstechnologien ändert sich nicht nur der Interventionsmodus medizinischen Handelns, sondern auch das, was wir autonomes Subjekt nennen. Gesundheit wird zu einer quantifizierbaren Zielvorgabe und zu einer Optimierungspraxis. Letztlich befördert dies die Ökonomisierung des Sozialen und verändert in tiefgreifender Weise, wie wir uns verhalten, um unsere Gesundheit zu erhalten, Krankheiten heilen oder präventiv verhindern.
Funder
Graz University of Technology
Publisher
Springer Science and Business Media LLC
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