Affiliation:
1. Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin/Zentrallabor, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg, Deutschland
2. Universitätsklinikum Bonn, Deutschland
3. Institut für Ernährung- und Lebensmittelwissenschaften, Rheinische Friedrich-Wilhelms Universität, Bonn, Deutschland
Abstract
Zusammenfassung. Ein unzureichender mütterlicher Folatstatus ist mit höherem Risiko für Neuralrohrdefekte assoziiert. Der Schwellenwert für eine gute Versorgung mit Folat (z.B. Folatkonzentration in den Erythrozyten) liegt bei > 906nmol/L für alle junge Frauen, die schwanger werden können. Diese recht hohe Folatkonzentration soll bereits vor Beginn der Schwangerschaft erreicht werden, was über die Nahrung kaum gelingt. Eine Supplementierung mit Folat oder Folsäure wird deshalb für alle Frauen, die eine Schwangerschaft planen, dringend empfohlen (vier bis acht Wochen vor Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende des ersten Trimesters). Folat-Supplementation kann zwar auf die Populationsebene das Risiko für Neuralrohrdefekte deutlich senken (ca. 50%), kann jedoch nicht alle Fälle verhindern. Neuere Studien zeigen, dass auch eine niedrige mütterliche Cholin- und Vitamin-B12-Zufuhr während der Schwangerschaft mit höherem Risiko für Neuralrohrdefekte assoziiert ist. Die Rolle von Cholin in der Gehirnentwicklung des Fötus und von Säuglingen ist auf Grund seiner Funktion als Quelle für Methylgruppen, Acetylcholin und Zellmembran-Phospholipide biologisch plausibel und nicht vollständig mit Folat austauschbar. Die Daten zur Assoziation zwischen der mütterlichen Cholinzufuhr während der Präkonzeption, dem ersten Trimenon, und in der Stillzeit und der fetalen Hirnentwicklung deuten auf einen kausalen Zusammenhang hin. Die Aufnahmeempfehlung für Cholin liegt bei 480mg/Tag für schwangere und 550mg/Tag für stillende Frauen. Die Cholin-Aufnahme (hauptsächlich über tierbasierte Ernährung) liegt im Durchschnitt bei ca. 300mg/Tag und ist somit unzureichend für eine optimale Versorgung während der Schwangerschaft. Bisher existieren keine konkreten Empfehlungen zur Cholin-Supplementation vor und während der Schwangerschaft. In Europa werden Präventionsansätze auf Populationsebene in der Regel nur unzureichend befolgt. Deshalb ist die individuelle Beratung von jungen Frauen, die eine Schwangerschaft planen, relevanter denn je.