Affiliation:
1. Fachbereich Sozialwesen, Hochschule Fulda
Abstract
ZusammenfassungDie „Repräsentativbefragung zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen“ (kurz:
Teilhabebefragung) im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
soll im Zusammenspiel mit der Teilhabeberichterstattung dabei helfen, die
Entwicklung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in Deutschland zu
beurteilen. Teilhabeberichterstattung und Teilhabebefragung nehmen für sich in
Anspruch, Beeinträchtigung und Behinderung gemäß der Internationalen
Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu operationalisieren. Eine kritische Analyse
des Messkonzepts offenbart methodologische Problemstellen: 1) Das Messkonzept
orientiert sich nicht konsistent an der ICF, weil es Beeinträchtigungen nicht
eindeutig als „impairments“ konzipiert, Umweltfaktoren bei der Bestimmung von
Behinderung nicht hinreichend berücksichtigt und Beeinträchtigung als ursächlich
für Behinderung sieht. 2) Die Abgrenzung zwischen Beeinträchtigung und
Behinderung erfolgt hauptsächlich auf pragmatischer Basis, ohne stimmige
konzeptionelle Begründung. 3) Die gewählte Operationalisierung kann die
angestrebte internationale Vergleichbarkeit nicht gewährleisten. Vorgeschlagen
wird die Integration des „Model Disability Survey“ von WHO und Weltbank in die
Erhebungsinstrumente der deutschen Teilhabebefragung, um eine stärkere
ICF-Orientierung und bessere internationale Vergleichbarkeit zu erreichen. Ein
alternativer Messvorschlag, der mit den vorliegenden Daten umsetzbar ist,
besteht darin, eine Gruppeneinteilung ausschließlich nach der
Beeinträchtigungsstärke vorzunehmen, unter Verzicht auf die a priori
Unterscheidung zwischen Beeinträchtigung und Behinderung. Diese Herangehensweise
nimmt den Grundgedanken der ICF auf, Behinderung als situatives statt als
persönliches Merkmal zu begreifen.