Affiliation:
1. Referat Arzneimittel und Methoden, Medizinischer Dienst
Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin, Germany
2. Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Göttingen,
Gottingen, Germany
Abstract
ZUSAMMENFASSUNG
Fragestellung Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)
ist eine der häufigsten psychischen Störungen bei Kindern, mit zunehmender
Bedeutung auch bei Erwachsenen. Es sollte untersucht werden, welche Bedeutung
Neurologen und Psychiater bzw. Hausärzte sowie Kinder- und Jugendärzte bei der
Verordnung von ADHS-Medikamenten in Deutschland spielen und ob sich ihre
Bedeutung im 10-Jahres-Zeitraum von 2008 und 2018 verändert hat.
Methode In dieser Sekundäranalyse von anonymisierten Verordnungsdaten
berechneten wir die absoluten und relativen Häufigkeiten der ADHS-Verordnungen
von Neurologen und Psychiatern – zusammengefasst als Spezialisten – und
Hausärzte sowie Kinder- und Jugendärzte – zusammengefasst als Generalisten –
zwischen 2008 und 2018.
Ergebnisse Insgesamt 620 Praxen lieferten Daten für 77 504 Patienten mit
der Diagnose ADHS, 38% (29 396/77 504) von ihnen hatten im Studienzeitraum
mindestens einmal ein Rezept für ein ADHS-Medikament erhalten. Im Laufe der Zeit
beobachteten wir eine Verlagerung von Generalisten zu Spezialisten. Erhielten im
Jahr 2008 noch 59% der Patientinnen und Patienten ihre Verordnung von einem
Generalisten und 41% von einem Spezialisten, so drehte sich das Verhältnis im
Jahr 2018 ins Gegenteil: nur noch 37% erhielten ihr Medikament von einem
Generalisten und die überwiegende Mehrheit (63%) von einem Spezialisten.
Besonders deutlich war diese Entwicklung bei Erwachsenen: 58% von ihnen
erhielten ihr ADHS-Medikament im Jahr 2008 von einem Spezialisten, im Jahr 2018
waren es bereits 80%. Der Anteil bei Kindern- und Jugendlichen mit Verordnung
vom Spezialisten stieg im gleichen Zeitraum von 38% auf 51%.
Schlussfolgerung Es gibt eine Verschiebung in der Arzneimittelversorgung
weg von Generalisten hin zu Spezialisten, ohne dass bisher über Vor- oder
Nachteile diskutiert wurde. Dies wäre jedoch wünschenswert, nicht zuletzt, weil
Spezialisten allein möglicherweise nicht über genügend Ressourcen verfügen, um
alle ADHS-Patienten zu versorgen.