Affiliation:
1. Institut für Rechtsmedizin, Charité
Universitätsmedizin Berlin
Abstract
Zusammenfassung
Hintergrund Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (KJP) sind eine
wichtige – im wissenschaftlichen Diskurs bisher wenig beachtete
– Berufsgruppe im medizinischen Kinderschutz. Ziel der Untersuchung
ist die Erfassung der Häufigkeit und des Umgangs mit
(Verdachts)Fällen von Kindesmisshandlung in der
psychotherapeutischen Praxis.
Methoden Alle im Bundesland Brandenburg zur
vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassenen KJP wurden mittels
Fragebogen zur Häufigkeit von Kindesmisshandlungen, differenziert
nach Misshandlungsform und Alter um Auskunft gebeten. Des Weiteren wurden
die Anzahl der Meldungen an eine Behörde, mögliche
Gründe für eine unterlassene Meldung sowie notwendige
Voraussetzungen für sicheres Erkennen, Bewerten und Einleiten
medizinrechtlicher und medizinisch/psychotherapeutischer
Interventionen erfasst.
Ergebnisse 2016 registrierten 74,4% und 2017 87% der
KJP mindestens einen (Verdachts)Fall von Kindesmisshandlung, wobei in beiden
Untersuchungsjahren die Misshandlungsformen emotionale
Vernachlässigung und emotionale Misshandlung am häufigsten
auftraten und die Altersgruppe der 6–13jährigen am meisten
von Kindesmisshandlung betroffen war. 2016 meldeten 34,4% und 2017
35% der KJP, die mindestens einen (Verdachts)Fall sahen,
diese/n an eine Behörde. Der häufigste Grund, der
gegen eine Meldung an eine Behörde sprach, war mit 47,6% der
Wille des Kindes, in der Therapie Besprochenes nicht weiterzugeben. Um
emotionale Vernachlässigungen und emotionale Misshandlungen sicher
diagnostizieren zu können, fehlen für 83,7% der
Befragten eindeutige Kriterien. Als wichtigste Voraussetzungen für
einen effektiven Kinderschutz werden Fortbildungen zu
medizinisch/psychotherapeutischen sowie medizinrechtlichen Themen
(53,3%), eine bessere Zusammenarbeit der beteiligten Professionen
(43,4%) und die Aufnahme des Themas in die Psychotherapieausbildung
(26,7%) benannt.
Schlussfolgerung (Verdachts)Fälle von Kindesmisshandlung
weisen in der ambulanten psychotherapeutischen Praxis eine hohe Relevanz
auf. Aufgrund ihrer intensiven Beziehung zum Patienten kann die Berufsgruppe
der KJP emotionale Vernachlässigungen und emotionale Misshandlungen
besonders gut erkennen. Deren Beitrag für eine Versorgung der von
Misshandlung betroffenen Kinder ist an bestimmte Voraussetzungen wie ein
berufsspezifisches Fortbildungsangebot, die Erarbeitung konkreter
Maßnahmen auf Landkreisebene zur Kooperation mit dem Jugendamt und
an verbindliche Definitionen und Kriterien der einzelnen Misshandlungsformen
gebunden.
Subject
Psychiatry and Mental health,Applied Psychology,Clinical Psychology
Reference20 articles.
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Cited by
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