Affiliation:
1. Institut für Allgemeinmedizin, Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Abstract
Zusammenfassung
Einleitung Auf Basis aktueller Standards der Behandlung wird international davon ausgegangen, dass eine vom biologischen Geschlecht abweichende Geschlechtsidentität keine psychische Erkrankung darstellt. Jedoch fordert der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) die Absolvierung einer Psychotherapie, bevor sie trans* Personen entsprechende Leistungen im Rahmen des Prozesses geschlechtsangleichender Maßnahmen gewähren. Betroffene müssen so nach wie vor in Kauf nehmen, dass ihre geschlechtliche Selbstdefinition mit einer Diagnose versehen wird, auch wenn bei ihnen ansonsten kein psychischer Leidensdruck besteht. Hieraus entstehen seither Konflikte. Einerseits wird durch Vergabe der Diagnose der Zugang zu medizinischen Maßnahmen ermöglicht, andererseits werden Geschlechtsidentitäten (psycho-)pathologisiert.
Forschungsziele Trans* Personen berichten dementsprechend aus unterschiedlichen Perspektiven von der psychotherapeutischen Begleittherapie im Rahmen ihrer Transition. Die Studie exploriert jene Erfahrungen und Einstellungen behandlungssuchender trans* Personen.
Methoden Hierzu wurde eine qualitative Untersuchung durchgeführt. Die Datenerhebung basierte auf 20 leitfadengestützten, teilstrukturierten Interviews, welche inhaltsanalytisch ausgewertet wurden.
Ergebnisse Die Ergebnisse gewähren einen differenzierten Einblick aus der Perspektive Betroffener. Die Auswertungen zeigen mehrheitlich positive Einstellungen hinsichtlich der Begleittherapie, welche den Zugang zu körpermodifizierenden Maßnahmen ermöglicht und sich primär durch die Gestaltung der therapeutischen Beziehung auszeichnet. Eine bedarfsgerechte psychotherapeutische Begleitung kann den Selbstwert, die Selbstakzeptanz und das Selbstbewusstsein betroffener trans* Personen positiv beeinflussen. Zugleich problematisieren die Daten jedoch den Therapiezwang und zeigen gravierende Schwachstellen des Versorgungssystems auf.
Schlussfolgerung Eine bedarfsgerechte begleitende Psychotherapie ist für trans* Personen in Deutschland von Bedeutung und zeichnet sich durch eine vertrauensvolle und trans*-sensible Gestaltung der Beziehung zwischen Patient*in und Therapeut*in aus.