Affiliation:
1. Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum
Freiburg, Freiburg, Deutschland
Abstract
ZusammenfassungZiel der vorliegenden Arbeit war es, Einflussfaktoren auf die Inanspruchnahme
medizinischer Versorgungsangebote durch wohnungslose Menschen zu ermitteln. Im
Rahmen einer Feldstudie wurden 51 wohnungslose Männer und 47
wohnungslose Frauen in Baden-Württemberg mit einem für diese
Studie konzipierten Fragebogen in face-to-face-Interviews befragt. Anhand
multipler logistischer Regressionsmodelle in Anlehnung an das Gelberg-Andersen
Behavioral Model for Vulnerable Populations wurden Einflussfaktoren auf die
Inanspruchnahme medizinischer Versorgungsangebote ermittelt. Erfüllte
alltägliche Grundbedürfnisse (OR 1,33, 95%-KI
[1,03–1,72] bzgl. Wahrnehmung von Impfungen), eine feste
primärmedizinische Anlaufstelle (OR 12,2 [1,81–82] bzgl.
Wahrnehmung von Früherkennungsuntersuchungen; quasi-vollständige
Trennung bzgl. Inanspruchnahme hausärztlicher Versorgung), soziale
Unterstützungssysteme (OR 2,9 [1,13–7,5] bzgl. Wahrnehmung von
Früherkennungsuntersuchungen; OR 0,63 [0,41–0,98] bzgl.
Aufsuchen von Notaufnahmen) und technische Unterstützungssysteme (OR 2,2
[1,13–4,4] bzgl. Inanspruchnahme hausärztlicher Versorgung)
hatten einen günstigen Einfluss auf das Inanspruchnahmemuster. Schmerzen
führten zu einer häufigeren Inanspruchnahme von Notaufnahmen (OR
1,72 [1,22–2,4]) und stationärer Versorgung (OR 1,66
[1,19–2,3]). Es zeigten sich Unterschiede zwischen den
Geschlechtergruppen. Die genannten Einflussfaktoren sind in der Versorgung
wohnungsloser Menschen gezielt zu adressieren. Zur Früherkennung und
Bearbeitung komplexer sozialer und gesundheitlicher Problemlagen vulnerabler
Bevölkerungsgruppen ist eine Integration sozialer Versorgungsangebote in
die medizinische Regelversorgung notwendig. Dies erfordert interprofessionelle
Ansätze in der medizinischen Aus-und Weiterbildung, die die Lebenslagen
vulnerabler Bevölkerungsgruppen und soziale Determinanten von Gesundheit
in den Blick rücken.
Subject
Public Health, Environmental and Occupational Health