Atmen: Luftschadstoffe und Gesundheit – Teil II

Author:

Schulz H.1,Karrasch S.12,Bölke G.3,Cyrys J.1,Hornberg C.4,Pickford R.1,Schneider A.1,Witt C.3,Hoffmann B.5

Affiliation:

1. Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, Institut für Epidemiologie, Neuherberg/München

2. Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität, München; Comprehensive Pneumology Center Munich (CPC-M), Mitglied des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL), München

3. Charité – Universitätsmedizin Berlin, Arbeitsbereich ambulante Pneumologie der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie, Berlin

4. Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, AG Umwelt und Gesundheit, Bielefeld

5. Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Medizinische Fakultät, Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Düsseldorf

Abstract

ZusammenfassungDer zweite Teil des DGP-Positionspapiers zur Gesundheitsgefährdung durch Luftschadstoffe gibt eine Übersicht über die aktuelle Schadstoffbelastung in Deutschland und deren Entwicklung in den letzten 20 Jahren. Zum anderen werden die Effekte auf das kardiovaskuläre System und die zugrundeliegenden biologischen Mechanismen vorgestellt. Luftschadstoffe bilden ein hochkomplexes und dynamisches System aus Tausenden organischen und anorganischen Bestandteilen natürlichen oder anthropogenen Ursprungs. Die Schadstoffe werden lokal produziert oder durch Ferntransport über Hunderte von Kilometern regional eingebracht und dort zusätzlich durch die meteorologischen Verhältnisse modifiziert. Entsprechend den gesetzlichen Vorgaben wird die Qualität der Außenluft nach einheitlichen Vorgaben überwacht, die u. a. die Messung der Immission durch Feinstaub, mit bis zu 2,5 µm (PM2.5) oder bis 10 µm (PM10) aerodynamischem Durchmesser, sowie der Ozon (O3)- und der Stickstoffdioxidbelastung (NO2) vorsieht. Die Luftreinhaltungsmaßnamen haben dazu geführt, dass die Schadstoffbelastung in den vergangenen 20 Jahren in Deutschland deutlich zurückgegangen ist, sodass jetzt v. a. die Gesundheitsgefährdung bei geringer Belastung im Vordergrund steht. Überschreitungen der geltenden europäischen Grenzwerte für Schwefeldioxid, Kohlenmonoxid, Benzol und Blei werden nicht mehr beobachtet. Auch ist die Zahl der Tage mit erhöhten Ozonkonzentrationen zurückgegangen, wenngleich der Jahresmittelwert unverändert geblieben ist. Die Entwicklung von Feinstaub und NO2 ist zwar rückläufig, jedoch werden immer noch die geltenden Grenzwerte für NO2 in den Städten an etwa 40 % der verkehrsnahen Messstationen überschritten. Auch werden die strengeren, gesundheitlich abgeleiteten Richtwerte der WHO für PM2.5, PM10 sowie für NO2 nicht eingehalten, sodass für die deutsche Bevölkerung derzeit kein optimaler Schutz vor einer Gesundheitsgefährdung durch Luftverschmutzung gegeben ist. Die Ergebnisse zahlreicher Quer- und Längsschnittstudien der letzten Jahrzehnte unterstreichen die adversen Effekte der Luftschadstoffe, insbesondere des Feinstaubes, auf das kardiovaskuläre System, wenngleich die Evidenz für die einzelnen Endpunkte noch als unterschiedlich einzustufen ist. Die Studien zeigen auch, dass die kardiovaskulären Auswirkungen von größerer gesundheitlicher Bedeutung für die Bevölkerung sind als die auf den Atemtrakt. Die existierende Evidenz für die kardiovaskuläre Mortalität, Krankenhauseinweisungen, ischämische Herzerkrankungen bzw. Herzinfarkt und Apoplex kann als stark angesehen werden, dagegen ist diese für die Herzinsuffizienz eher moderat. Während die Evidenz für luftschadstoffassoziierte kurzfristige Effekte auf die vegetative Balance des Herzens als ausreichend anzusehen ist, sind langfristige Effekte noch als unklar einzustufen, ebenso wie die heterogenen Studienergebnisse zur luftschadstoffassoziierten Arrhythmogenese, die derzeit eine klare Schlussfolgerung noch nicht zulassen. Ein großer Teil der Studien deutet darauf hin, dass Luftschadstoffe akut und langfristig zum Anstieg des Blutdrucks beitragen können, zu einer gestörten vaskulären Homöostase mit endothelialer Dysfunktion führen sowie die Progression atherosklerotischer Veränderungen fördern können. Diese Effekte stellen biologisch plausible Mechanismen für die mit Luftschadstoffen assoziierten fatalen Ereignisse dar. Kurzzeiteffekte bergen womöglich für gesunde Menschen eher kein Risiko, können aber als plausibler Vorläufer von fatalen Ereignissen bei suszeptiblen Patienten angesehen werden, während repetitive Expositionen bzw. eine hohe Langzeitbelastung zur Entwicklung von kardiovaskulären Erkrankungen auch bei Gesunden beitragen können.

Publisher

Georg Thieme Verlag KG

Subject

Pulmonary and Respiratory Medicine

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