Abstract
ZusammenfassungUnter „Xenotransplantation“ wird die Übertragung von
funktionsfähigen Zellen, Geweben oder Organen zwischen verschiedenen
Spezies verstanden, insbesondere von Schweinen auf den Menschen. In den meisten
Industrieländern klafft eine große Lücke zwischen der
Anzahl geeigneter Spenderorgane und der Anzahl benötigter Transplantate.
Weltweit können nur etwa 10% des Organbedarfs durch Spenden
gedeckt werden. Eine erfolgreiche Xenotransplantation könnte diesen
Mangel mildern oder sogar weitgehend vermeiden. Das Schwein wird aus
verschiedenen Erwägungen heraus als am besten geeignete Spenderspezies
angesehen. Bei einer Übertragung porziner Organe auf Primaten treten
verschiedene immunologisch bedingte Abstoßungsreaktionen auf, die das
übertragene Organ innerhalb kurzer Zeit zerstören
können, wie die HAR (hyperakute Abstoßung), die AVR (akute
vaskuläre Abstoßung) und die spätere zelluläre
Abstoßung. Diese Abstoßungsreaktionen müssen durch
genetische Modifikationen im Schwein und eine geeignete immunsuppressive
Behandlung des Empfängers kontrolliert werden. Dazu müssen Tiere
mit mehrfachen genetischen Veränderungen produziert und im Hinblick auf
ihre Eignung für eine erfolgreiche Xenotransplantation geprüft
werden. Inzwischen können die HAR und auch die AVR durch Knockouts von
antigenen Oberflächenepitopen (z. B. αGal
[Galaktose-α1,3-Galaktose]) und transgene Expression humaner Gene mit
antiinflammatorischer, antiapoptotischer oder antikoagulativer Wirkung
zuverlässig kontrolliert werden. Nach orthotopen Transplantationen in
nicht humane Primaten konnten inzwischen mit Schweineherzen
Überlebensraten von bis zu 264 Tagen und mit porzinen Nieren von 435
Tagen erzielt werden. Eine Übertragung pathogener Erreger auf den
Empfänger kann bei Einhaltung einschlägiger
Hygienemaßnahmen ausgeschlossen werden. PERV (porzine endogene
Retroviren) können durch RNA-(Ribonukleinsäure-)Interferenz oder
Gen-Knockout ausgeschaltet werden. Sie stellen damit kein
Übertragungsrisiko für den Empfänger mehr dar. Anfang
2022 wurde in Baltimore (USA) ein Schweineherz mit 10 genetischen Modifikationen
auf einen Patienten mit schwerem Herzleiden übertragen, mit dem der
Empfänger 2 Monate offenbar ohne größere Probleme lebte.
Es wird erwartet, dass Xenotransplantate vom Schwein in absehbarer Zeit zur
klinischen Anwendungsreife kommen werden. Dazu werden klinische Versuche zur
systematischen Erfassung aller Auswirkungen solcher Transplantate auf den
Patienten sowie geeignete rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen
benötigt.