Affiliation:
1. Institut für Psychosoziale Medizin, Psychotherapie und
Psychoonkologie, Universitätsklinikum Jena, Deutschland
Abstract
Zusammenfassung
Hintergrund Basierend auf einer Studie von Ciechanowski et al. (2004)
wurde an der Medizinischen Fakultät der Universität Jena
eine analoge Erhebung durchgeführt mit dem Ziel einen Zusammenhang
zwischen der Facharztpräferenz Medizinstudierender und deren
Bindungsmerkmalen zu überprüfen.
Methode Eine Stichprobe von 411 Studierenden aus verschiedenen
Abschnitten des Studiums der Humanmedizin (73,2% der Studierenden
waren Frauen, das mittlere Alter lag bei 22,7 Jahren) wurde nach dem
aktuellen Facharzt-Weiterbildungswunsch gefragt und gebeten, sich in 3
verschiedenen Instrumenten der Erwachsenenbindungsforschung selbst zu
beschreiben. Dies waren der Relationship Style Questionnaire (RSQ), der
Bielefelder Fragebogen zur Partnerschaftserwartung (BFPE) und die
Beziehungsspezifischen Bindungsskalen für Erwachsene (BBE) in der
Version für die Bindung an die Mutter und den Partner/die
Partnerin. Beim Vergleich der Gruppen wurde zunächst die von
Ciechanowski et al. [27] vorgeschlagene Differenzierung der Weiterbildung in
eine primärärztliche und eine
nicht-primärärztliche zugrunde gelegt. Darüber
hinaus wurde eine Kategorisierung aus einer Studie von Buddeberg-Fischer et
al. [29] mit insgesamt 7 Subgruppen verwendet (Allgemeinmedizin, Innere
Medizin, Chirurgie, Anästhesiologie und Notfallmedizin,
Pädiatrie, Nervenheilkunde und
Gynäkologie/Geburtshilfe).
Ergebnisse Beim Gruppenvergleich der beiden Gruppen nach der
Kategorisierung von Ciechanowski zeigen sich Unterschiede, die allerdings
die aus der ursprünglichen Studie nicht replizieren: Die
Studierenden der ersten (primärärztlichen) Gruppe waren
insgesamt (im RSQ) unsicherer gebunden und zeigten höhere Werte in
Skalen, die eher auf Abhängigkeit und anklammernde Bindung hindeuten
(Angst vor Trennung, Abhängigkeit im Hinblick auf Mutter und
Partner(in)). Ähnlich wie bei Ciechanowski et al. [27] waren in der
zweiten Gruppe (nicht-primärärztliche Tätigkeit)
mehr Personen in der Kategorie „vermeidend“
(selbst-genügsam). Um das Bild zu differenzieren wurden die
Kategorien nach Buddeberg-Fischer et al. [29] verglichen. Dieser Vergleich
machte deutlich, dass künftige Pädiater und
Pädiaterinnen vergleichsweise bindungsunsicherer und ambivalenter
klassifiziert wurden, die Anästhesiologen/Notfallmediziner
dagegen etwas häufiger als vermeidend und abweisend. Auf der Ebene
der Skalenvergleiche bestätigte sich dieses Bild. Da sich sowohl im
Hinblick auf die Facharztpräferenz also auch im Hinblick auf
Bindungsmerkmale (erfasst mit dem BFPE) Geschlechtsunterschiede zeigten,
wurde die Variable Geschlecht als Kovariate in Gruppenvergleichen
verwendet.
Schlußfolgerungen Im Gegensatz zu der Studie von Ciechanowski
u. a. waren speziell künftige Kinderärzte
durchgängig, d. h. in allen Bindungsdiagnostika, durch eine
Neigung zur Abhängigkeit und zum Anklammern in Beziehungen
gekennzeichnet, während teilweise in Analogie zu der
US-amerikanischen Studie Bindungsvermeidung und Selbstgenügsamkeit
speziell bei künftigen Anästhesisten und Notfallmedizinern
häufiger waren. In künftigen Studien zur Motivation
für bestimmte ärztliche Tätigkeitsfelder
wäre die Hinzuziehung anderer psychologischer Merkmale und
insbesondere biografischer Aspekte sinnvoll.
Subject
Psychiatry and Mental health,Applied Psychology,Clinical Psychology
Reference44 articles.
1. Attachment theory: A model for Health Care utilization and somatization;P S Ciechanowski;Psychosom Med,2002
2. Bindung und Coping – Eine Erhebung zum Zusammenhang zwischen
Bindungsstilen und Angstbewältigungsmustern in bedrohlichen
Situationen;S Schmidt;Zeitschrift für Medizinische Psychologie,1999
3. Patient-provider relationship as mediator between adult attachment and
self-management in primary care patients with multiple chronic conditions;K Brenk-Franz;J Psychosom Med,2017