Affiliation:
1. Institut für Soziologie und Sozialpsychologie,
Universität zu Köln, Köln, Germany
2. Fakultät für Gesundheitswissenschaften,
Universität Bielefeld, Bielefeld, Germany
3. School of Sociology, University College Dublin, Dublin,
Ireland
Abstract
Zusammenfassung
Ziel Über die Gesundheitskompetenz von Menschen mit
Migrationshintergrund in Deutschland liegen bislang kaum Daten vor. Ziel des
Artikels ist es daher, die Gesundheitskompetenz dieser
Bevölkerungsgruppe – speziell von Menschen mit
türkischem und ex-sowjetischem Migrationshintergrund – genauer
zu analysieren.
Methodik Deutschlandweit wurden im Sommer 2020 525 Personen mit
ex-sowjetischem und 512 Personen mit türkischem Migrationshintergrund ab
18 Jahren auf Deutsch, Russisch oder Türkisch interviewt. Die Erhebung
der Gesundheitskompetenz erfolgte mittels des international entwickelten
Instruments HLS19-Q47. Stratifiziert nach Migrationsgruppe wurde die
Gesundheitskompetenz unter Berücksichtigung demographischer und
sozioökonomischer, sprachlicher und migrationsspezifischer Variablen
bivariat und multivariat untersucht.
Ergebnisse Insgesamt verfügt rund die Hälfte der Befragten
über eine geringe Gesundheitskompetenz, wobei sich die beiden
Migrationsgruppen nicht unterscheiden. Bei beiden gehen ein niedriges
Bildungsniveau, sozioökonomische Benachteiligung, eingeschränkte
deutschsprachige literale Fähigkeiten, ein höheres Alter,
mehrfache chronische Erkrankung und eigene Migrationserfahrung mit einer
geringen Gesundheitskompetenz einher. In den multivariaten Analysen bleiben
Zusammenhänge zwischen Gesundheitskompetenz und literalen
Fähigkeiten, Sozialstatus, finanzieller Deprivation und dem Vorliegen
von einer chronischen Krankheit bestehen; adjustiert bleibt kein bedeutsamer
Unterschied nach Migrationsgeneration.
Schlussfolgerung Ein erheblicher Teil an Personen mit türkischem
und ex-sowjetischem Migrationshintergrund in Deutschland hat Schwierigkeiten im
Umgang mit Gesundheitsinformationen. Verglichen mit vorliegenden Studien ist
ihre Gesund-heitskompetenz aber nicht geringer als bei Menschen ohne
Migrationshintergrund. Personen mit Migrationshintergrund sind demzufolge nicht
pauschal als vulnerabel für geringe Gesundheitskompetenz zu betrachten.
Vor allem sozioökonomisch benachteiligte Teilgruppen haben
häufiger eine geringe Gesundheitskompetenz. Interventionen sollten daher
vor allem diese Teilgruppen adressieren und dabei zielgruppenspezifische und
lebensweltliche Besonderheiten berücksichtigen. Darüber hinaus
bestehen für Menschen mit geringen literalen Fähigkeiten und
Deutschkenntnissen größere Schwierigkeiten, die
Gesundheitsinformationen zu verarbeiten. Dies verdeutlicht den Bedarf an
mehrsprachiger Information, aber auch an multimedialen Materialen in einfacher
Sprache. Zudem sind strukturelle Maßnahmen für ein
gesundheitskompetentes Gesundheitssystem notwendig, um die gesundheitliche
Ungleichheit zu verringern.
Subject
Public Health, Environmental and Occupational Health