Affiliation:
1. Universität Helsinki, Medizinische
Fakultät
2. Schwerpunktpraxis ADHS und Sucht, Landau
3. Praxis für Psychotherapie, Köln
4. Trainingsinstitut Prof. Dr. Klaus Baum, Köln
Abstract
Zusammenfassung
Ziel der Studie Die Kontrolle der Adhärenz gehört
unabdingbar zur Therapie drogenabhängiger Patient:innen. Die dazu
meistgenutzte Matrix ist der Urin, bei deren Gewinnung bis vor kurzem die
Sichtkontrolle beim Urinieren oder bei der Einnahme einer Urinmarkersubstanz
notwendig war, um mögliche Manipulationen aufzudecken. In den letzten
Jahren wurde ein telemedizinisches Verfahren entwickelt (Ruma Digital-System
(Pro), Ruma GmbH, Deutschland), bei dem der/die Patient:in
während einer zweiminütigen Smartphone-Videoaufzeichnung mit
offline-Kontrolle eine Urinmarker-Substanz schluckt (Polyethylenglykole) und die
nachfolgende Urinprobe selbstständig an das zuständige Labor
verschickt. In der vorliegenden Beobachtungsstudie wurde
überprüft, ob es eine Patientengruppe mit bestimmten Merkmalen
ist, die das telemetrische Verfahren akzeptiert, inwieweit das Ruma
Digital-System (Pro) für Interessierte auch nach mehrmaliger Nutzung als
Kontrolle der Beigebrauchsfreiheit vorstellbar ist und welche Vor- und Nachteile
aus dem telemetrischen Verfahren hervorgehen.
Methodik Die Gruppenzuordnung der Patient:innen erfolgte auf freiwilliger
Basis. Insgesamt 133 Patient:innen (48 Frauen, 85 Männer) nahmen in
einer Kontroll- (KG, n=65) und einer Interventionsgruppe (IG,
n=68) teil. IG verwendete das Ruma Digital-System (Pro), bei KG wurden
die Urinproben unter Sichtkontrolle genommen. Unmittelbar nach der ersten (TK1)
und nach der 5. Urinkontrolle (8 bis 12 Wochen, TK5) wurde der psycho-sozial
orientierte Fragebogen PARADISE 24 eingesetzt, in der Interventionsgruppe wurden
zusätzlich Fragen zum Umgang und der Zufriedenheit mit dem
Ruma-Digital-System (Pro) gestellt. Die Antworten dieser Fragen wurden in
Quartilen der PARADISE 24 Ergebnisse zum Zeitpunkt TK5 differenziert.
Ergebnisse Die Patient:innen, die sich für das Ruma Digital-System
(Pro) entschieden, waren überwiegend jünger, männlich
und hatten geringere psycho-soziale Schwierigkeiten. Im beobachteten Zeitraum
verstärkte sich die Akzeptanz für das telemedizinische
Verfahren. In dieser Gruppe kam es zu folgenden Veränderungen: Die
überwiegende Mehrheit der Patient:innen hatte ein verringertes
Schamgefühl bei der Urinkontrolle, konnte ihren Alltag besser
bewältigen und würde das Verfahren weiterempfehlen. Bei ca. zwei
Drittel der Patient:innen kam es zu einer Zeitersparnis infolge des Wegfalls von
Anreise- und Wartezeiten für die Kontrolle.
Schlussfolgerung Das telemedizinische Verfahren stärkt die
Selbstwirksamkeit derjenigen Patient:innen, die das System akzeptieren. Es ist
psychologisch gegenüber der Sichtkontrolle weniger belastend und kann
auch im Falle einer pandemischen Lage für die Kontrolle der
Therapietreue uneingeschränkt genutzt werden.
Subject
Psychiatry and Mental health,Applied Psychology