Affiliation:
1. Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität zu
Lübeck
2. Mühlenbergklinik Holsteinische Schweiz, Malente
Abstract
Zusammenfassung
Ziel der Studie Suizidalität wird in der Rehabilitation bisher selten
systematisch erfasst, obwohl bei Personen mit körperlichen und psychischen
Beeinträchtigungen das Suizidalitätsrisiko erhöht ist. Das Item 9 des
9-Item-Depressionsmodul des Patient Health Questionnaire (PHQ-9) fragt nach dem
Wunsch, tot zu sein oder sich selbst Leid zufügen zu wollen, und könnte als
mögliches Screening auf Suizidalität genutzt werden. Die Columbia Suicide
Severity Rating Scale (C-SSRS) ist ein standardisiertes Interview zur Erfassung
von Suizidalität. Wir erhoben die Häufigkeit von Suizidalität in der
orthopädischen und kardiologischen Rehabilitation mittels C-SSRS und PHQ-9,
untersuchten die diagnostische Genauigkeit des Item 9 des PHQ-9 und des
PHQ-9-Gesamtwertes zur Identifizierung von Suizidalität und erfassten die
Akzeptanz der Suizidalitätsabklärung durch die Teilnehmenden.
Methodik Die Studienteilnehmenden wurden mit dem PHQ-9 gescreent und
anschließend mittels C-SSRS interviewt. Sensitivität und Spezifität des Items 9
des PHQ-9 und des PHQ-9-Gesamtwertes wurden für das Vorliegen einer mit der
C-SSRS erfassten Suizidalität und in einer Sensitivitätsanalyse für das
Vorliegen unspezifischer aktiver Suizidgedanken (Item 2 der C-SSRS) überprüft.
Wir berechneten die Area under the curve (AUC) zur Vorhersage der Fähigkeit des
PHQ-9, zwischen Personen mit und ohne akuter Suizidalität zu unterscheiden. Die
Teilnehmenden bewerteten Screening und Interview.
Ergebnisse Bei 405 Studienteilnehmenden lag die Prävalenz akuter
Suizidalität gemessen mit der C-SSRS bei 0,5%. 4% berichteten in der C-SSRS
unspezifische aktive Suizidgedanken. 10,4% gaben Suizidgedanken im Item 9 des
PHQ-9 an. Die Sensitivität des Item 9 und des PHQ-9-Gesamtwertes für die
Identifizierung akuter Suizidalität betrug lediglich 50,0% (95%-KI: 1,3% bis
98,7%). Das Item 9 war jedoch sensitiv (81,3%, 95%-KI: 54,4% bis 96,0%) und
spezifisch (92,5%, 95%-KI: 89,5% bis 95,0%) für die Erkennung unspezifischer
aktiver Suizidgedanken. Die Schätzer für die Sensitivität waren aufgrund der
geringen Prävalenz akuter Suizidalität mit großer Unsicherheit behaftet. Die
Ansprache von Suizidalität wurde von den Studienteilnehmenden als sinnvoll und
hilfreich bewertet.
Schlussfolgerung Bei positiver Antwort des Item 9 ist die unmittelbare
Gefahr eines Suizids gering. Der Einsatz des PHQ-9 eignet sich aber zur
Identifizierung von Personen mit unspezifischen suizidalen Gedanken. Ein
auffälliger Wert im Item 9 des PHQ-9 sollte psychodiagnostisch abgeklärt
werden.