Auswirkungen der vorübergehend fehlenden Genehmigungsfähigkeit für Zwangsbehandlung in Baden-Württemberg: nicht weniger Medikamente, aber längere Freiheitsentziehung

Author:

Steinert Tilman,Keyssner Simon,Schmid Peter,Flammer Erich

Abstract

Zusammenfassung Hintergrund Nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts von 2011 und des Bundesgerichtshofs von 2012 waren Zwangsbehandlungen in Baden-Württemberg vorübergehend für sieben Monate nicht genehmigungsfähig. Auswertungen aus Routinedaten hatten gezeigt, dass bei einer kleinen Gruppe von Patientinnen und Patienten aggressive Übergriffe, Fixierungen und Isolierungen signifikant zunahmen und danach wieder auf das vorige Niveau zurückgingen. Die vorliegende Studie sollte mittels der Analyse von Krankenakten aus sechs Klinikstandorten klären, ob Verweigerung der angeordneten Medikation häufiger war und wie häufig eine antipsychotische Medikation ohne die Möglichkeit des Zwangs realisiert wurde. Methode In einem quasi-experimentellen intraindividuellen longitudinalen Vergleich bezogen wir alle Patientinnen und Patienten mit schizophrenen und manischen Störungen ein, die eine Behandlungsepisode sowohl in der Zeit ohne zulässige Zwangsmedikation als auch in einem Zeitraum gleicher Länge im Vorjahr aufwiesen (N = 174). Ergebnisse In der Periode ohne Möglichkeit einer Zwangsbehandlung waren die Patientinnen und Patienten im Durchschnitt signifikant häufiger (+ 26 %), aber nur insignifikant länger untergebracht, Aufenthaltsdauer und Anzahl der Fixierungen blieben unverändert, Isolierungen verdoppelten sich, einige Patienten hatten sehr lange keinen Ausgang und wurden häufig wieder aufgenommen. Medikamentenverweigerung war signifikant häufiger (+130 %, p < .001). Dennoch unterschied sich der Anteil der Patienten, die im Verlauf ein Antipsychotikum einnahmen, nicht (96,0 bzw. 96,6 %), die Dosis in Chlorpromazin-Einheiten bei Entlassung war in der Periode ohne Zwangsbehandlung tendenziell sogar höher (+7,9 %, p = 0.07). Die Unterschiede betrafen gleichermaßen freiwillig und unfreiwillig behandelte Patienten. Schlussfolgerungen Ohne die Möglichkeit der Genehmigung einer Zwangsbehandlung nahmen anhaltende Medikamentenverweigerung und Freiheitseinschränkungen verschiedener Art zu, eine orale antipsychotische Behandlung wurde in fast allen Fällen realisiert.

Publisher

Georg Thieme Verlag KG

Subject

Psychiatry and Mental health,Neurology (clinical),Neurology

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