Affiliation:
1. HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim, Holzminden, Göttingen, Deutschland
Abstract
ZusammenfassungHintergrund Physiotherapeutische Projekte in der internationalen Freiwilligenarbeit erfreuen sich in Deutschland immer größerer Beliebtheit. Es existiert jedoch kaum Wissen über die Erfahrungen von Physiotherapeuten in solchen Freiwilligenprojekten.Ziel Unter Berücksichtigung der postkolonialen Theorien wurde ermittelt, wie deutsche Physiotherapeuten retrospektiv über ihr Erleben der Projektarbeit und deren Nachwirkungen auf ihr (Berufs-)Leben berichten und inwieweit die (Re-)Produktion kolonialer Machtstrukturen darin deutlich wird.Methode Drei Physiotherapeutinnen – ehemalige Freiwillige (Ghana, Nepal, Vietnam, Ruanda) – wurden mittels episodischer Interviews befragt. Der Feldzugang erfolgte über Freiwilligenorganisationen, Hochschulen und soziale Medien. Die Datenauswertung erfolgte mittels Situationsanalyse nach Clarke und der Grounded Theory.Ergebnisse Die Freiwilligen erlebten sich in einem Spannungsfeld zwischen der Selbsteinschätzung ihrer fachlichen Kompetenzen, den Erwartungshaltungen von Projektmitarbeitern und Patienten sowie der erfahrenen Projektrealität. Dieses Spannungsfeld ist u. a. auf das Vorhandensein sowie die (Re-)Produktion kolonialer Machtstrukturen zurückzuführen, die in unterschiedlichem Maße von den Freiwilligen wahrgenommen und reflektiert wurden. Die Einsätze wurden dennoch als bedeutsam für die persönliche und berufliche Weiterentwicklung von den Freiwilligen wahrgenommen.Schlussfolgerung Es zeigt sich, dass koloniale Machtstrukturen zu widersprüchlichen Erwartungen sowohl bei den befragten Physiotherapeuten als auch bei den lokalen Partnern führen. Künftig wäre es sinnvoll, ein Bewusstsein für koloniale Machtstrukturen zu schaffen, eine bessere fachliche Vorbereitung der Freiwilligen zu gewährleisten und Austauschmodelle generell zu überarbeiten.