Abstract
ZusammenfassungRauschzustände werden auf die pharmakologisch beschriebenen
Substanzwirkungen reduziert. Das „Abhängigkeitssyndrom“
definiert Sucht unabhängig vom kulturellen und situativen Kontext. Beim
Konzept der „Kontrollminderung“ handelt es sich um eine
Metapher: Die hierarchisch strukturierte Fähigkeit der
Persönlichkeit zur Kontrolle ihres Suchtverhaltens wird nicht
aufgeklärt. Diagnosen basieren auf nur wenigen Kriterien: Es fehlen die
Biografie der betroffenen Person, die Schwere der Störung und
soziodemografische Merkmale. Die „Glücksspielsucht“ und
der „pathologische PC/Internetgebrauch“ (Gaming
disorder) werden als Süchte klassifiziert, obwohl sie sich typologisch
als unterschiedliche Störungen abgrenzen lassen. Sucht ist
primär sozialer Natur: Sie erwächst aus einem anhaltenden Mangel
an sozialer Integration und setzt ein breites Angebot suchtspezifischer Anreize
voraus. Das Krankheitskonzept hat zu einer biomedizinischen Blase
geführt, wodurch psychosoziale Interventionen
zurückgedrängt wurden. Alternativ lässt sich
süchtiges Verhalten als ein sinnvoller Bewältigungsmechanismus
überstarker Belastungen ansehen. Zur Überwindung einer Sucht ist
es erforderlich, die Autonomie der leidenden Person zu stärken. Dies
erfordert die aufeinander bezogene Kooperation der beteiligten
Berufsgruppen.
Subject
Psychiatry and Mental health,Applied Psychology