Abstract
Vor fünf Jahren hat der deutsche «Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie» (WBP) in einem Gutachten nicht nur die Humanistische Psychotherapie als «wissenschaftlich anerkanntes Verfahren» abgelehnt, sondern sogar der 2002 vom WBP bereits anerkannten Gesprächspsychotherapie die «Empfehlung zur vertieften Ausbildung» entzogen. Nach anfänglichen Protesten vieler Wissenschaftler:innen und Institutionen gegen diese Bewertung ist ein Stillstand zu verzeichnen, zumal sich der WBP Diskursen über diese Kritik und die beanstandeten Bewertungen entzieht. Dieser Beitrag nimmt das 5-Jahres-Datum zum Anlass, einen Report der Kontexte und Umstände dieser Blockierung der Humanistischen Psychotherapie in Deutschland zu erstellen. Denn dieses deutsche administrative Regelwerk ist vielen nicht vertraut. Der Report fokussiert dabei auf Veröffentlichungen nach 2018. Zunehmend wird deutlich, dass die deutsche Ideologie von gegeneinander abgeschotteten Psychotherapieverfahren, deren «Wissenschaftlichkeit» ausschliesslich durch experimentelle RCT-Studien in Bezug auf spezifische Wirkfaktoren nachgewiesen werden muss, Befunden der internationalen Psychotherapieforschung nicht standhält. Immer mehr spricht für die vor allem von Wampold seit 2001 vorgetragene Sicht, dass kontextuelle Faktoren wesentlich zum Therapieerfolgt beitragen – also Aspekte, die in der Humanistischen Psychotherapie eine zentrale Rolle spielen. Der Beitrag schliesst mit der Hoffnung, dass der WBP den Diskurs aufnimmt und zu einer veränderten Bewertung der Humanistischen Psychotherapie kommt.
Publisher
Psychosozial-Verlag GmbH and Co. KG
Reference31 articles.
1. AGHPT (2023). https://aghpt.de/antrag-wissenschaftliche-anerkennung.
2. Bowe, N. (2021a). Evidenz für Politikänderung. https://bvvp.de/wp-content/uploads/2021/08/20210803-Langfassung-aus-PPP-3_21 -Bowe_Evidenz-fuer-Politikaenderung_public.pdf.
3. Bowe, N. (2021b). Wissenschaftliche Evidenz für einen fälligen Wechsel hinsichtlich Forschung und Psychotherapiepolitik. Psychotherapie in Politik und Praxis, (3), 6f.
4. Cottraux, J. et al. (2000). Cognitive behavior therapy versus supportive therapy in social phobia: a randomized controlled trial. Psychotherapy and Psychosomatics, 69(3), 137–146.
5. Eckert, J. (2013). Machtmissbrauch in den Psychotherapiewissenschaften. Mittel und Wege der Monopolisierung. Persönlichkeitsstörungen. Theorie und Therapie 17, 278–288.