Das Konzept der »Distanz«

Author:

Tuckett David

Abstract

In diesem Beitrag wird argumentiert, dass die Arbeit von Bouvet (1958) ein Dilemma für die psychoanalytische Technik formuliert – was ist zu tun, wenn der Rahmen, in dem der Analytiker arbeitet, ein Abweichen von der Kerntechnik zu erfordern scheint? Bouvet war besorgt, dass eine zu starke intuitive Anpassung zu einem ›anything goes‹ führen könnte. Er schlug sein Konzept der Distanz, das in seinem originellen und wichtigen Verständnis der Bildung von Objektbeziehungen verankert ist, als Heuristik vor, um die Anpassungen an Situationen zu testen, in denen die Patienten kaum in der Lage sind, die Objekte ihrer Projektion von den Objekten selbst zu trennen. Für mich ist das Dilemma gut formuliert, aber ich behaupte, dass sein Verständnis und seine Lösung vor allem von der Klarheit darüber abhängen, was eine Kerntechnik ausmachen soll und was eine Abweichung von ihr ist. Die Zersplitterung der Technik und der Verlust eines gemeinsamen Verständnisses in der heutigen psychoanalytischen Welt machen dies schwierig. Daher gehe ich an mein Verständnis von Bouvets Denken heran, indem ich Ideen zu den Kernannahmen einführe, die jeder Psychoanalytiker bei seiner Arbeit implizit oder explizit machen muss: Annahmen über unbewusste Schlussfolgerungen, unbewusste Wiederholungen, die analytische Situation und die Art und Weise, wie man den analytischen Prozess vorantreibt. Ich behaupte, dass die Annahmen in dem, was ich als ›Einsichts-‹, ›Hier und Jetzt-‹ und ›assoziativen‹ Ansatz der Psychoanalyse skizziere, die die moderne Szene charakterisieren, ziemlich unterschiedlich sind. Die Praxis, die ich im Rahmen des Projekts für ›European comparative clinical methods‹ über 20 Jahre hinweg beobachtet habe, deutet darauf hin, dass unter dem intensiven emotionalen Druck der klinischen Situation in allen drei Ansätzen Anpassungen stattgefunden haben, sodass viele der Kernannahmen, die uns Freud gegeben hat, mehr oder weniger unbeabsichtigt verlassen wurden. Bouvet schlug sein Konzept der optimalen Distanz als heuristische Prüfung vor, die es dem Analytiker ermöglicht, sich zu fragen, ob er aus der analytischen Haltung heraustritt. Diese Prüfung ist nach wie vor wertvoll. Die Art und Weise, wie sie durchgeführt wird, hängt jedoch davon ab, welchen der drei Ansätze der Analytiker zu verwenden glaubt und welche Annahmen er dabei trifft.

Publisher

Psychosozial-Verlag GmbH and Co. KG

Subject

Computer Science Applications,History,Education

Reference27 articles.

1. Arlow, J. A. (1995). Stilted Listening: Psychoanalysis As Discourse. Psychoanalytic Quarterly, 64, 215–233.

2. Bouvet, M. (1958). Technical Variation and the Concept of Distance. Int. J. Psychoanal., 39, 211–221.

3. Britton, R. & Steiner, J. (1994). Interpretation: Selected Fact or Overvalued Idea? Int. J. Psychoanal., 75, 1069–1078.

4. Diercks, M. (2018). Freud’s ›transference‹: Clinical technique in the ›Rat Man‹ case and theoretical conceptualization compared. Int. J. Psychoanal., 99, 58–81.

5. Eissler, K. R. (1958). Remarks on Some Variations in Psycho-Analytical Technique. Int. J. Psychoanal., 39, 222–229.

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