Affiliation:
1. Universität Osnabrück, Deutschland
Abstract
Das deutsche System der öffentlich subventionierten Stadt- und Staatstheater gilt als eines der besten der Welt. Das liegt nicht nur an der stabilen Förderung, sondern auch daran, dass die Reproduktion hoher Qualität und die ständige Erneuerung durch die staatliche Schauspielausbildung und regelmäßige Führungswechsel im System fest verankert sind. Und gleichzeitig tun sich Stadt- und Staatstheater immer noch sehr schwer, auf die Anforderungen einer stets vielfältiger werdenden "Migrationsgesellschaft" entsprechend zu reagieren und sich auch selbst diverser aufzustellen. Auf Basis einer fast zweijährigen Feldforschung im Theaterbereich geht der Beitrag der Frage nach, woran das liegt, und beschreibt u.a. anhand der so genannten "authentischen" Rollenbesetzung, welchen Dilemmata sich Theater zwischen den Erwartungen des Publikums und eigenen stereotypen Bildern auf der einen Seite und der Öffnung für andere Perspektiven und Sehgewohnheiten gegenüber sieht - nicht zuletzt, um auch neue Bevölkerungsschichten als Publikum zu gewinnen und dem eigenen Anspruch der Abbildung gesellschaftlicher Entwicklungen und Widersprüche auch weiterhin gerecht zu werden. Dazu gehört im Theatersystem auch die Schauspielausbildung: wieviel Vielfalt schafft es durch die hochselektive und kompetitive Aufnahmeprozedur der staatlichen Schauspielschulen, wie wichtig kann/soll/darf "akzentfreies Deutsch" noch sein als Aufnahmekriterium, wenn die urbane Wirklichkeit "da draußen" längst vielsprachig und voller Akzente ist?
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