Abstract
In diesem Beitrag werden kontragenerische Textpraktiken auf Ansichtskarten untersucht. Darunter verstehen wir schriftliche Praktiken, mit denen man gegen die Erwartungen an Textmuster anschreibt, die mit einer kommunikativen Gattung verbunden sind. Wenn negative Erfahrungen, Gedanken und Gefühle auf Postkarten thematisiert werden, finden wir typischerweise Strategien, die das Negative in einen positiven Rahmen einbetten. Eine kontragenerische Textpraxis enthält also ein verbalisiertes Thema, das vom Schreiber als nicht gattungskonform eingeschätzt wird, sowie sprachliche Formen, mit denen dieses Thema in gattungskonforme Sätze eingebettet und mit diesen vermittelt wird. Wir bezeichnen die nicht gattungskonformen Sachverhalte (es regnet den ganzen Tag) als extragenerischen Begriff und die mit ihnen vermittelnd verbundenen Fakten (wir genießen die Ferien) als intragenerischen Begriff. Die sprachlichen Formen, die eine vermittelnde Beziehung zwischen extra- und intragenerischem Konzept herstellen, nennen wir (leider, aber dennoch) Vermittlerform. Wir untersuchen die Semantik und Textgrammatik solcher Strategien und unterscheiden auf dieser Grundlage verschiedene Typen solcher Einbettungsstrategien. Methodisch haben wir einen Annotationsansatz angewandt, indem wir Stichproben untersuchten, dreifach annotierten, die Übereinstimmung maßen und Zweifelsfälle diskutierten. Auf diese Weise haben wir eine Operationalisierung des Begriffs "kontragenerische Textpraxis" im Annotationsprozess erreicht und Belege gesammelt, die die Grundlage für die hier vorgestellten Analysen bilden.
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