Abstract
Der Beitrag arbeitet gouvernementalitätstheoretisch heraus, wie sich Kindheiten und Sorgearrangements aktuell gesellschaftlich neu ordnen. Über Disziplinierung ist die gesellschaftliche Organisation der Sorge um Kinder nicht mehr ausreichend zu fassen. Dagegen wächst die Bedeutung von Transparenz. Techniken der Transparenz zielen darauf ab, das Aufwachsen mannigfaltig sichtbar zu machen, um es über Vernetzung sowie die Vervielfältigung von Kommunikation und Wissen optimieren zu können. Vollständige Transparenz bleibt eine Fiktion. Techniken der Transparenz beschreiben deshalb keinen Zustand, sondern das Streben Sorgender, Uneinsehbares sichtbar werden zu lassen. Weit mehr als einfach eine Totalität gläserner Durchsichtigkeit setzt sich damit ein feines Netz biopolitisch produktiver Mechanismen der Sorge durch, aus denen eine generative Dynamik erwächst, welche an starren Normen orientierte, disziplinierende Techniken der Sorge verdrängt. Mit der Forderung nach Transparenz geht zugleich die Angst einher, dass familiales Zusammenleben zunehmend repressiver staatlicher Gewalt unterliegt. Jedoch versprechen Techniken der Transparenz ebenso die Entfaltung von Autonomiepotenzialen. Denn als Teil der biopolitischen Regulierung kommt ihnen die Aufgabe zu, Risiken zu verwalten, Gefahren zu minimieren und die Sorge um Kinder zugleich individuell und gesellschaftlich produktiv zu gestalten.
Publisher
Verlag Barbara Budrich GmbH
Reference91 articles.
1. Amos, K. (2016): Schule und neue Kontroll-Kultur. In: Dollinger, B./Schmidt-Semisch, H. (Hrsg.): Sicherer Alltag? Politiken und Mechanismen der Sicherheitskonstruktion im Alltag. – Wiesbaden, S. 195-214. https://doi.org/10.1007/978-3-658-07268-1_9
2. Archard, D. (2015): Das Ende der Familie? Zur Bedeutung der biologischen Verwandtschaft. In: Betzler, M./Bleisch, B. (Hrsg.): Familiäre Pflichten. – Berlin, S. 57-86.
3. Aufenanger, S. (2014): Digitale Medien im Leben von Kindern und Herausforderungen für Bildung und Erziehung. Frühe Kindheit, 17, 6, S. 8-18.
4. Baumann, M.-O. (2014): Die schöne Transparenz-Norm und das Biest des Politischen: Paradoxe Folgen einer neuen Ideologie der Öffentlichkeit. Leviathan, 42, 3, S. 398-419. https://doi.org/10.5771/0340-0425-2014-3-398
5. Ben-Arieh, A./Casas, F./Frønes, I./Korbin, J. E. (2014): Multifaceted Concept of Child Well-Being. In: Ben-Arieh, A./Casas, F./Frønes, I./Korbin, J. E. (Hrsg.): Handbook of Child Well-Being. Theories, Methods and Policies in Global Perspective. – Dordrecht, S. 1-27. https://doi.org/10.1007/978-90-481-9063-8_134