Abstract
Die öffentliche Verschuldung gilt aus ökonomischer Sicht als ein ebenso bedeutsames wie problematisches Finanzierungsinstrument des Staates. Diese Einsicht speist sich nicht allein aus den Staatsschuldenkrisen eines Teils der Mitgliedsstaaten des Europäischen Währungsraums infolge der jüngsten Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009. Vielmehr handelt es sich bei diesen Krisen um ein historisch wiederkehrendes Phänomen, von dem auch andere Länder innerhalb und außerhalb Europas betroffen waren und sind. Blickt man allein auf solche Krisen, übersieht man leicht, dass die Finanzierung des Staates mittels Schuldaufnahme etwas Alltägliches darstellt. Mit dem vorliegenden Beitrag soll der Frage nachgegangen werden, wie sich die in den ausgewiesenen Daten widerspiegelnde Nutzung des staatlichen Verschuldungsinstruments ökonomisch erklären lässt. Zu diesem Zweck wer-den zunächst in knapper Form die bekannten finanzwissenschaftlichen Begründungen der öffentlichen Schuldaufnahme einschließlich der bestehenden politökonomischen Erklärungsversuche des zeitlichen Entwicklungsverlaufs der Staatsverschuldung dargestellt (Kapitel 2). Dieser Überblick bildet zugleich den Ausgangspunkt, um in einem weiteren Schritt danach zu fragen, welche zusätzlichen Erkenntnisse zum staatlichen Verschuldungsverhalten sich aus einer Berücksichtigung von psychologischen Überlegungen, wie sie sowohl im Rahmen der Steuer- und Finanzpsychologie als auch in neueren Ansätzen der Verhaltensökonomik formuliert werden, gewinnen lassen (Kapitel 3). Im Mittelpunkt stehen dabei das Phänomen der Schuldenillusion, seine verschiedenen Varianten, aber auch damit im Zusammenhang stehende Reizschwellen- und Reaktanz-Effekte, Wahrnehmungsverzerrungen sowie fehlende Lernprozesse auf Seiten der Bürger ebenso wie ein möglicher kognitiver Kontrollverlust bei den Regierungsakteuren. Daran anknüpfend werden abschließend einige finanzpolitische Schlussfolgerungen zur Begrenzung der öffentlichen Verschuldung abgeleitet (Kapitel 4).
Publisher
Sonderforschungsgruppe Institutionenanalyse