Abstract
Seit 2021 ermöglicht ein deutsches Unternehmen die Kompostierung menschlicher Leichname und bietet Hinterbliebenen ein dazugehöriges Ritual an. Der Beitrag widmet sich diesem Phänomen aus theatertheoretischer sowie diskursanalytischer Perspektive. Er fragt nach den konkreten Verfahren der Affizierung, die im Bewerben des Bestattungsprodukts namens Reerdigung implementiert werden, und fokussiert auf die spezifischen Begehrnisse (Böhme), die dabei adressiert bzw. evoziert werden. Das verkaufte Versprechen, als Kompost (wieder) in den Erdkreislauf einzugehen, reagiert, so die Prämisse, auf ein gegenwärtig im globalen Norden verstärkt zutage tretendes soziales Bedürfnis, dem Drang nach Luxus und Verschwendung etwas Bleibendes, Einzigartiges und ökologisch Vertretbares entgegenzusetzen. Paradoxerweise aber ist es ausgerechnet das den anthropozentrischen Raubbau vorantreibende Prinzip der Akzeleration, das das ökologisch bewahrende, ästhetisierte Produkt Reerdigung erst hervorbringt.
Publisher
Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG
Subject
Visual Arts and Performing Arts