Melencolia §I – der „angelo terrestre” und sein gleichzeitiges doppeltes Sehvermögen

Abstract

Zusammenfassung. Das am meisten mathematische Bild Dürers hat eine Trostwirkung, deren Ursache kunsthistorisch, kunstpsychologisch und ikonologisch untersucht wird. Es wird die These vertreten, dass die Trost-Wirkung auf der „visuellen Geometrie” beruht, die Dürer seiner Bildkonstruktion zu Grunde gelegt hat. Der Betrachter sieht das „Selbst”, er ist – wie der Schöpfer des Bildes – „voller Figur”, wie Dürer seine eigene Kreativität beschrieben hat, und beginnt, das Bild zu lesen. Der Betrachter folgt dabei intuitiv oder bewusst den sinnführenden Perspektiven. Dazu wird die These aufgestellt, Dürer sei inspiriert von dem kontemplativen Aufstieg zum „angelo terrestre”, der von Giovanni Pico della Mirandola in seinem Commento sopra una canzone d’amore 1486, beschrieben wurde.