Abstract
Zusammenfassung. Die Psychologie weist zur Biologie, von der Genetik bis zur Ethologie, vielfältige fruchtbare und in der Sache unproblematische Beziehungen auf. In den kognitiven Neurowissenschaften sind jedoch Vorstellungen problematisch, denen zufolge einer neurophysiologischen Analyseebene eine privilegierte Stellung für das Verständnis mentaler Prozesse zukomme. Der Beitrag zeigt noch einmal auf, dass derartige Vorstellungen auf tiefgehenden Missverständnissen naturwissenschaftlicher Forschungsprinzipien beruhen und für die explanatorischen Aufgaben psychologischer Theoriebildung unfruchtbar sind. Er identifiziert zwei Kategorien von Ursachen, warum dennoch neuroreduktionistische Positionen gegenwärtig einen so großen Einfluss in der Psychologie haben. Die wissenschaftspsychologischen Ursachen liegen in der Natur unseres alltäglichen Erklärungskonzeptes mit seiner Vorliebe für konkrete, sinnlich manifeste Wirkfaktoren sowie in unserer Alltagskonzeption psychischer Phänomene. Die wissenschaftssoziologische Ursache liegt in der gegenwärtigen Form der internen Organisation der Forschung auf der Basis ,einfacher’ und ,objektiver’ Evaluationsindizes, durch die kurzfristig angelegte Forschungsarbeiten, die einen raschen Ertrag an visibility versprechen, sich in höherem Maße rentieren als langfristig angelegte Beiträge zu einer kumulativen Theorieentwicklung.
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