Affiliation:
1. Psychologische Hochschule Berlin , Am Köllnischen Park 2 , Berlin Germany
2. Psychologische Hochschule Berlin , Am Köllnischen Park 2 Berlin Germany
3. Psychologische Hochschule Berlin, Am Köllnischen Park 2 , Berlin Germany
Abstract
Zusammenfassung
Mittels einer Expertenbefragung wurden Informationen zum Vorfeld von Wiederaufnahmeanträgen erhoben. Hierfür wurden erstmals beide gesetzlich vorgesehenen Antragsteller:innen von Wiederaufnahmeanträgen – 10 Strafverteidiger:innen sowie 11 Staatsanwält:innen – zu ihren Erfahrungen mit Wiederaufnahmeanträgen befragt.Es ließen sich drei unterschiedliche Problemkonstellationen identifizieren: a) mögliche Verurteilung von Unschuldigen, b) möglicher Freispruch von Schuldigen, c) mögliche fehlerhafte Rechtsfolgen (Anträge zugunsten von Verurteilten), bei denen die Täterschaft des Verurteilten nicht in Frage steht. Strafverteidiger:innen bezogen sich ausschließlich auf die Konstellation a); Staatsanwält:innen berichteten überwiegend über Erfahrungen mit Konstellation c), in dieser Befragtengruppe fanden sich aber Erfahrungen mit allen drei Konstellationen.Nach den Ergebnissen der vorliegenden Befragungen streben Staatsanwält:nnen nach Rechtskraft eines Urteils in der Regel keine weiteren Ermittlungen an, sondern werden mit Wiederaufnahmeanträgen dann aktiv, wenn ein eindeutiger Wiederaufnahmegrund (z. B. unerkannte Doppelverfolgung, fehlerhafte Gesamtstrafenbildung) bereits vorliegt. Von der Mehrzahl der Strafverteidiger:innen wurden fehlerhafte Sachverständigengutachten und eine unkritische Würdigung der Gutachten durch die Gerichte als häufige Fehlerquelle angegeben; als weitere häufige Fehlerquelle wurden falsche Zeugenaussagen genannt. Solchen Wiederaufnahmeanträgen müssen oft Ermittlungen vorausgehen, um neue Beweismittel bzw. Tatsachen zu finden oder zu schaffen.Der Zugang zu Wiederaufnahmeverfahren für Verurteilte ist nach den Ergebnissen der Befragung aktuell insbesondere durch Probleme der Finanzierung (sowohl der anwaltlichen Tätigkeit als auch von Ermittlungstätigkeiten inklusive neuer Sachverständigengutachten) und dem Umstand, dass nur wenige Strafverteidiger:innen über spezialisiertes Wissen zum Wiederaufnahmerecht verfügen, erschwert.Die Regelungen der §§ 359, 362 StPO wurden von den meisten Befragten in beiden Expertengruppen nicht prinzipiell kritisiert, sondern als zweckmäßig erachtet. Von Seiten der Strafverteidiger:innen wurde jedoch eine restriktive Handhabung und Rechtsprechung beklagt. Ferner wurden Reformen außerhalb des Wiederaufnahmerechts vorgeschlagen, die den Nachweis einer Fehlverurteilung erleichtern, wie eine audio(visuelle) Protokollierung der Hauptverhandlung.
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