Affiliation:
1. Universität Kiel (ISPK) Institut für Sicherheitspolitik Kiel Germany
Abstract
Zusammenfassung
Ob und wie könnte sich eine „NATO zu 31, ohne die USA“ gegen Russland (unterstützt durch China, Nordkorea und Iran) militärisch behaupten? Unter welchen Voraussetzungen könnten die Europäer im Rahmen einer fortbestehenden NATO eigenständig, das heißt notfalls auch ohne die USA, abschreckungs- und verteidigungsfähig werden? Diese Fragen stehen im Blickpunkt des Beitrags, in dem der Autor zu dem Schluss gelangt, dass dies grundsätzlich möglich ist, sofern die drei großen europäischen Mittelmächte Frankreich, Großbritannien und Deutschland in der NATO gemeinsam eine Ko-Führungsrolle übernehmen und komplementär als Rahmennationen zusammenwirken. Zugleich müssten alle Mitgliedstaaten ihre Verteidigungsbeiträge so steigern, dass sie auch ohne substanzielle Beteiligung der USA nicht nur in einem kurzen, hochintensiven Krieg durch „Responsiveness“ bei Aufmarsch und Anfangsoperationen die Oberhand behielten, sondern auch in einem langen Abnutzungskrieg, wie Russland ihn derzeit gegen die Ukraine führt, durchhaltefähig und letztlich Russland gegenüber überlegen wären. In drei Feldern blieben die USA allerdings unersetzbar: (1) als Garant einer glaubwürdigen Extended Nuclear Deterrence, (2) als Weltmacht mit dem einzigen, alle Fähigkeiten breit abbildenden, kohärenten nationalen Streitkräftedispositiv, an das sich bisher alle Verbündeten anlehnen; und (3) als Bereitsteller eines zusätzlichen amerikanischen Sicherheitsnetzes in Europa, das verteidigungspolitische Handlungsfähigkeit selbst dann noch ermöglicht, wenn in der konsensbasierten NATO kein Einvernehmen herzustellen sein sollte. Mit Blick auf die deutsche Verteidigungspolitik wird festgestellt, dass die Neuausrichtung der Bundeswehr auf Kriegstüchtigkeit und als Rückgrat der kollektiven Bündnisverteidigung im konventionellen Bereich in die richtige Richtung geht. Jedoch sind noch weitaus größere Anstrengungen insbesondere in der Rüstung und beim Verteidigungshaushalt erforderlich, um Putins Russland in Europa die Fortsetzung seines aggressiven Revisionismus zu verwehren. Dies gilt umso mehr, wenn die Perspektive einer NATO ohne die USA Realität würde, was es so weit wie möglich zu vermeiden gilt.
Reference43 articles.
1. Alberque, William/Barrie, Douglas/Gwadera, Zuzanna/Wright, Timothy (2023): Russia’s War in Ukraine: Ballistic and Cruise Trajectories. London: International Institute for Strategic Studies
2. Bateman, Jon (2022): Russia’s Wartime Cyber Operations in Ukraine. Military Impacts, Influences, and Implications. Washington, D.C.: The Carnegie Endowment for International Peace, 2022
3. Bronk, Justin/Reynolds, Nick/Watling, Jack (2022): The Russian Air War and Ukrainian Requirements for Air Defence. London: Royal United Services Institute (RUSI)
4. Bruns, Sebastian/Jopp, Heinz-Dieter (2024): Die nasse Flanke des Russland-Ukraine-Kriegs – Lektionen für die moderne Seekriegsführung und die Marine, Sirius – Zeitschrift für Strategische Analysen, 8 (1), 50–57
5. Cimbala, Stephen J./Forster, Peter (2005): The US, NATO and Military Burden-Sharing. London, Routledge