Affiliation:
1. Universität Mannheim , Historisches Institut, Neuere und Neueste Geschichte , Mannheim , 68161 , Germany .
Abstract
Zusammenfassung
Der Begriff der „Identität“ ist spätestens seit den 1990er Jahren zu einer zentralen analytischen Kategorie der Geistes- und Sozialwissenschaften aufgestiegen. Der Aufsatz argumentiert, dass sich hier zwei Begriffstraditionen beobachten lassen: eine nach Differenz fragende und eher als politisch wahrgenommene kulturwissenschaftliche Auffassung von Identität sowie eine historische Perspektive, die sich stärker mit Fragen der nationalen Integration und des Zusammenhalts befasst. Dieses Verständnis von Identität wird heute weitgehend als unpolitisch wahrgenommen. Beide Traditionen sind jedoch in einem gemeinsamen, grundlegend politischen Wissenschaftsumfeld geprägt worden. Einflussreich waren hierbei die Debatten der britischen Neuen Linken der 1970er und 1980er Jahre. In diesem Netzwerk von Intellektuellen wurden anhand der Themen Nationalismus und „race“ Aspekte kollektiver und personaler Identifikation und Zugehörigkeit an konkreten politischen Anlässen verhandelt. Diese Debatten waren ein wichtiger Faktor dafür, dass sich die beiden unterschiedlichen wissenschaftlichen Verwendungen des Begriffes „Identität“ etablieren konnten. Beide Lesarten des Identitätsbegriffs entwickelten sich seit den 1980er Jahren international und fachübergreifend zu wichtigen Analysekategorien. In dieser Rezeption ging der historisch-britische Kontext der Begriffsprägung weitestgehend verloren. Durch die Analyse der konkreten Debatten, die zur Ausformung der verschiedenen Begriffstraditionen beigetragen haben, leistet der Artikel einen Beitrag zur Historisierung des wissenschaftlichen Konzepts der „Identität“.