Affiliation:
1. Ludwig-Maximilians-Universität München , Historisches Seminar, Frühe Neuzeit , München , 80539 , Germany .
Abstract
Zusammenfassung
Die Durchsetzung herrschaftlicher Gesetzgebung erfolgte im frühneuzeitlichen England in hohem Maße über den Rechtsgrundsatz qui tam und die damit verbundene Technik des common informing: Die private Anklage und Strafverfolgung ökonomischer, sozialer, religiöser und politischer Devianz wurde finanziell belohnt. Vom Rechtsverstoß persönlich unberührte Personen wurden auf diesem Weg zu Sachwaltern des Gemeinwohls mit exekutiven Befugnissen, denn alle Rechtsentscheide waren auch für die Krone bindend. Rechtshistorikern wohlbekannt, ist diese dem common law eigene Form der Strafverfolgung hinsichtlich ihrer Herrschaftswirkungen bislang unbeachtet geblieben und in ihrer politischen und sozialen Dimension wenig erforscht. Hier verspricht sie jedoch neue Erkenntnisse: Unter Verzicht auf einen entsprechenden Amtsapparat delegierten Herrschaftsträger die Ausübung obrigkeitlichen Zwangs erfolgreich an die Untertanen, eröffneten diesen jedoch unfreiwillig Zugang zu Herrschaftsrechten. Entsprechend erlaubten Formen des informing für einzelne Untertanengruppen zahlreiche Partizipationsmöglichkeiten, führten allerdings durch ihren denunziativen Charakter zugleich zu einer Verschärfung sozialer Antagonismen und zu neuen vertikalen Abhängigkeiten. Über informing hergestellte und geregelte Herrschaftsbeziehungen waren folglich für beide Seiten ambivalent und verweisen auf strukturelle Dilemmata auch moderner Staatlichkeit. Ziel des Beitrages ist es, common informing im Kontext der Debatte um frühneuzeitliche Staatsbildung und in der Diskussion um englische Staatlichkeit in der Vormoderne zu verorten. Zugleich werden konzeptionelle Vorschläge zu einer Erforschung von informing wie auch zu einer Weiterführung der genannten Diskussionen entwickelt.