Affiliation:
1. Universität Bremen , Socium Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik , Bremen , 28359 , Germany .
Abstract
Zusammenfassung
Mit dem Einbruch der Geburtenrate um 1900 erhielt die Debatte über Geschlechtskrankheiten im Deutschen Kaiserreich eine neue Dimension. Venerische Krankheiten erschienen nun nicht mehr als individuelles Problem, sondern in Kombination mit den zunehmenden diplomatischen und militärischen Spannungen in Europa als Gefahr für die Sicherheit des jungen deutschen Staates. Denn durch die gesundheitlichen und moralischen Folgen der Geschlechtskrankheiten wurde eine „Schwächung der Wehrkraft“ befürchtet. Die Militärführung und die Reichsregierung akzeptierten zwar grundsätzlich die Notwendigkeit einer Kooperation im Kampf gegen die Geschlechtskrankheiten. Eine nennenswerte Zusammenarbeit entwickelte sich jedoch erst infolge der Massenverluste im Ersten Weltkrieg. Im Generalgouvernement Belgien arbeiteten die Militär- und Zivilbehörden des Reichs zwischen 1915 und 1919 eng zusammen, um die von den Geschlechtskrankheiten ausgehenden Gefahren einzudämmen. Eine besondere Rolle als Initiatoren der sozial- und gesundheitspolitischen Kooperation zwischen Militär und Sozialversicherungen kam dabei dem Generalgouverneur des Generalgouvernements Belgien Moritz von Bissing und Paul Kaufmann, Präsident des Reichsversicherungsamts, zu. Auch nach dem Tode Bissings 1917 wurde diese spezielle Zusammenarbeit, nun im Reich primär mit den Kriegsministerien und dem Reichsmarineamt, fortgeführt. Ihr bekanntestes und dauerhaftestes Ergebnis stellen die Beratungsstellen für Geschlechtskranke dar. Ursachen, Akteure, Konflikte und Resultate dieser zivil-militärischen Zusammenarbeit zu analysieren und sie in den internationalen Kontext einzubetten, ist das Ziel der vorliegenden Studie.