Das Paradox der Systemdifferenzierung und die Evolution der Gesellschaft

Abstract

Zusammenfassung Das Konzept der differenzierten Gesellschaft ist konstitutiv für die Soziologie als Disziplin. Sowohl in der Ideengeschichte seit dem 18. Jahrhundert wie in der Theoriegeschichte der Soziologie sind bislang aber nur vergebliche, nämlich Paradoxien erzeugende Versuche der Wiedereinführung der Einheit der Differenz zu beobachten. Deshalb wird vorgeschlagen, den Begriff der Differenzierung auf Systemdifferenzierung zu beschränken. Dadurch wird eine Entparadoxierung des Problems erreicht, indem statt vom vorausgesetzten Schema des aus Teilen bestehenden Ganzen von einem operativen Systembegriff und damit einer beforschbaren Evolution von Systemdifferenzierung (als der Wiedereinführung der Differenz von System und Umwelt) ausgegangen wird. Die unitas multiplex ist also immer systemrelativ und die Einheit der Gesellschaft wird durch die jeweilige Form der Systemdifferenzierung zum Ausdruck gebracht. Auf dieser Theoriebasis können vier Formen der gesellschaftlichen Primärdifferenzierung mit je spezifischen Beziehungen zwischen den Teilsystemen unterschieden und die historischen Transformationen, die mit den unterschiedlichen Einheitsrepräsentationen der Primärdifferenzierung verbundenen sind sowie das Verhältnis von Aus- und Binnendifferenzierung skizziert werden. Die Evolution (als Differenz von Variation, Selektion und Restabilisierung) der Gesellschaft im Sinne einer Transformation der Formen der gesellschaftlichen Differenzierung wird abschließend an dem Übergang von segmentärer zu stratifikatorischer und dem von stratifikatorischer zu funktionaler Differenzierung plausibilisiert.