Affiliation:
1. OsteoARC – OsteoArchaeological Research Centre Rammelsberger Str. 26, 38644 Goslar Goslar Deutschland
2. Stiftung Ruhr Museum Fritz-Schupp-Allee 15, 45141 Essen Essen Deutschland
Abstract
Zusammenfassung
In den 1970er Jahren wurden auf dem Alten Kirchplatz in Haan, Kreis Mettmann, während Bauarbeiten zahlreiche Bestattungen aufgedeckt und dabei weitgehend zerstört. Geborgen wurden damals lediglich einige Schädelreste mit einer besonderen Kopfzier aus Buntmetall (inkl. Anhaftungen von Haaren und Textilien), die später als sterbliche Überreste hochadliger Stiftsdamen beschrieben und als Ensemble in das 10. Jahrhundert datiert worden sind. Diese chronologische Einordnung basierte vor allem auf Radiokarbondatierungen, die heute allerdings als Fälschungen angesehen werden müssen. Eine aktuelle, interdisziplinäre Untersuchung der wenigen heute noch vorhandenen Funde ergibt zum einen eine vollkommen neue Interpretation als zuvor und zum anderen eine Umdatierung in das 17. bis 18. Jahrhundert. Die neue Datierung basiert dabei auf drei voneinander unabhängigen Methoden (Osteoarchäologie, AMS 14C-Datierung, Mikro-Röntgenfluoreszenz-Analyse), die sich gegenseitig ergänzen. Die Metallfunde konnten zudem durch Vergleiche mit Bild- und Schriftquellen sicher als sog. Ohreisen (ndl. oorijzers) identifiziert werden, hergestellt aus Messing, welche als Unterbau einer neuzeitlichen Haubentracht von Frauen verschiedener Gesellschaftsschichten getragen worden sind. Im Einzugsgebiet des Rheins war die Ohreisentracht in Deutschland bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts weit verbreitet, ist danach aber sehr schnell in Vergessenheit geraten, was mit zur langjährigen Fehldeutung der Funde beigetragen hat. Mit der hier vorgelegten, neuen kulturhistorischen Einordnung der Bestattungen aus Haan kann gleichzeitig ein signifikanter Beitrag zur Funeralarchäologie der Neuzeit geleistet werden.