Affiliation:
1. Archäologische Staatssammlung München Deutschland
Abstract
Zusammenfassung
Bernstein besitzt als fossiles Baumharz aufgrund seiner spezifischen physischen Eigenschaften eine Aura, die ihn bis heute gleichermaßen als Schmuckstein und magisch-religiöses Amulett begehrt machte. Die überregionale, im antiken Sinne ‚globale‘ Verbreitung des baltischen Succinits findet ihren Niederschlag auch in den Ostalpen. Besonders der zentrale Kommunikationskorridor entlang der Salzach und des anschließenden Tauerntransits besticht während aller Epochen durch eine hohe Dichte von Bernsteinobjekten. Die Region dient deshalb als Modellfall zur Untersuchung zeitlich variabler Aspekte der Aneignung, Nutzung, ideellen Bedeutung und Verbreitung des Bernsteins.
Neben sehr seltenen bronzezeitlichen Objekten und einer häufigeren Verwendung in der frühen Eisenzeit ist der Dürrnberg bei Hallein neben dem benachbarten Salzrevier von Hallstatt einer der europäischen Schwerpunkte der Bernsteinnutzung während der Späthallstatt- und Frühlatènezeit. Hier liefern neue quantitative und qualitative Analysen Indizien für sich wandelnde Muster in Trageweise, Nutzung und symbolisch-magischer Bedeutung von Bernsteinschmuck. In der jüngeren Latènezeit kommt es regional und in weiteren Bereichen Europas zu einem graduellen Rückgang der Bernsteinnutzung. Er setzt sich in der römischen Kaiserzeit im Gebiet des municipium Claudium Iuvavum fort, bevor ein letztes Aufleben des Bernsteinschmucks im Frühmittelalter einsetzte.
In diachroner Perspektive werden zeitspezifische Muster in der Verwendung und Integration des fremdartigen Rohstoffes in die indigene materielle Kultur und magische Vorstellungswelt deutlich. Bernstein erscheint allerdings nicht nur als ‚Beiprodukt‘ rein ökonomischer Kommunikation entlang transregionaler Handels- und Verkehrsbeziehungen der sogenannten ‚Bernsteinstraßen‘. Vielmehr zeigen qualitative und quantitative Analysen, dass der Bernstein zu unterschiedlichen Zeiten bewusst als Medium sozialer Kommunikation gewählt oder verworfen sowie inhaltlich mit konkreten Bedeutungen belegt wurde. In Prozessen intentioneller kultureller Aneignung offenbart das exotische Material damit die differenzierte Entscheidungs- und Handlungskompetenz indigener Gemeinschaften der mitteleuropäischen Ur- und Frühgeschichte.