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1. Universität Freiburg Studienbereich Zeitgeschichte Doktorand 1700 Tel: +41 79 642 94 11 Freiburg Schweiz
Abstract
Zusammenfassung
Der Staat solle sich auch gegenüber Asylsuchenden und Flüchtlingen an das Recht halten, statt Willkür walten zu lassen: so lautete die anfänglich wohl wichtigste Forderung der Asylbewegung, die in der Schweiz in den frühen 1980er-Jahren entstand. Der Text diskutiert die affirmative Beziehung der Asylbewegung zum Recht und bezieht sich dabei auf Jacques Rancières Thesen zum Verhältnis von Politik und Aisthesis. Gemäß Rancière sind nicht primär Gesetze oder Verfassungen Sache der Politik, sondern „sinnliche“ Fragen der Wahrnehmbar- und Sagbarkeit, von denen der Sinn von Gesetzen und Verfassungen abhängt. Politisch subjektivierte sich die Asylbewegung als „andere Schweiz“ und brachte unter diesem Namen die herrschende „Aufteilung des Sinnlichen“ durcheinander: Sie machte die institutionell unsichtbar gehaltenen Asylpraxis der Behörden sicht- und kritisierbar. Gehör fand die Asylbewegung nicht auf institutionellem Weg, sondern dank Aktionen des zivilen Ungehorsams. In den dadurch geschaffenen, paradoxen Sprechsituationen des „Unvernehmens“ (Rancière), gelang es der Asylbewegung, die umstandslose Identifikation von „Recht“ und „Staat“ zeitweise aufzulösen. Die Frage, ob es der Staat oder die Bewegung sei, die illegal respektive legal handle, wurde zum Gegenstand eines öffentlichen Streits. Der wichtigste Effekt dieses Dissenses war die Einführung einer verwaltungsunabhängigen Rekursinstanz im Asylrecht zu Beginn der 1990er-Jahre.
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