Affiliation:
1. Technische Universität München München Germany
2. Klinikum der LMU München Germany
Abstract
Zusammenfassung
Der Verlauf der religiösen Bewältigung bei einer lebensbedrohlichen Krankheit ist noch weitgehend unbekannt. Religiöse Phantasien bestimmen den Inhalt dieser Bewältigung. Modellhaft wird dies bei der HIV-Infektion vor Einführung der antiretroviralen Kombinationstherapie untersucht.
105 HIV-infizierte Männer und Frauen (55 Homosexuelle, 30 Hämophile und 20 Drogenkonsumenten) wurden in einem sozialpsychologisch-tiefenpsychologischen Interview über ihre Krankheitsbewältigung befragt. Von dieser Gruppe wurden 65 Teilnehmende nach durchschnittlich 21 Monaten einer zweiten Befragung unterzogen, um den Verlauf des religösen Copings zu erfassen. Das religiöse Coping wurde im Fremdrating mittels der Berner Bewältigungsformen nach Heim et al. (1985) und die religiösen Inhalte wurden inhaltsanalytisch bestimmt.
Religiöse Bewältigung fand fast nur bei Homosexuellen statt. Im Verlauf nahm sie hochsignifikant an Intensität ab, und zwar unabhängig von der Verschlechterung der Krankheit. Ein Drittel schöpfte Kraft und Hilfe aus den religiösen Vorstellungen, ein Fünftel sah hier die Möglickeit einer aktiven Einflussnahme oder ordnete sich dem Willen Gottes unter. Bei den Gottesbildern überwogen die des strafenden oder verzeihenden Gottes, wobei die schuldhaft erlebte Homosexualität eine wichtige Rolle spielte.
Die religiöse Bewältigung spielt vor allem zu Beginn einer lebensbedrohlichen Krankheit eine Rolle. Dabei geht es um das Verständnis der Krankheit in einem spirituellen Kontext. Die religiöse Verarbeitung von Schuldgefühlen verdient eine besondere Beachtung bei der psychosozialen Betreuung der Patienten.
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