Abstract
ZusammenfassungAls Reaktion auf die Eurokrise brachte die Europäische Union (EU) mehrere Reformpakete und Vorschläge zur Überarbeitung des Governance-Rahmens der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) auf den Weg. Diese Studie untersucht den Vorschlag zur Stärkung der Finanzregulierung im Zusammenhang mit der Debatte über Finanztransaktionssteuern (FTS), die sogenannte Robin-Hood-Steuer, und die divergierenden politischen Reaktionen der britischen und deutschen Regierungen. Besonderes Augenmerk wird auf die Auswirkungen der Pluralität der Akteure und die issue salience bei den Prozessen zur Bildung von Präferenzen in diesen Ländern gelegt. Hauptziel ist es festzustellen, wer die Reaktionen dieser Regierungen während der FTS-Debatte bestimmt hat und warum finanzielle und nicht-finanzielle gesellschaftliche Akteure bei der Entscheidungsfindung entweder beachtet oder abgelehnt wurden. Durch die Anwendung des Societal Approach als Theorie endogener Präferenzformation werden drei erklärende Variablen, materielle Interessen, wertgestützte Ideen und nationale Institutionen, die in der Innenpolitik der Länder dominieren, untersucht, um zu berücksichtigen, wann diese von Bedeutung sind, wie sie interagieren und welche bei der Gestaltung der FTS-Positionen dieser Regierungen prägend sind. Diese vergleichende theoriegeleitete empirische Analyse zeigt, dass Gewerkschaften, Wähler*innen und NGOs in Deutschland in der Lage waren, wichtige Interessen der Finanzindustrie bei der Gestaltung der Regierungsposition zur Unterstützung der vorgeschlagenen Reform zu umgehen, während diese Akteure in Großbritannien, einer einheitlichen Finanzindustrie, die sich vehement gegen die Steuer aussprach, nicht erfolgreich entgegenwirkten. Anknüpfend an die aktuelle Literatur zur europäischen Finanzregulierung nach der Krise, die sich mit einem gewissen Dissens zwischen einer Zunahme und einer Abnahme der demokratischen Politikgestaltung in Krisenzeiten befasst, soll diese Untersuchung ein umfassendes Verständnis der Präferenzbildung der Regierungen fördern und eine gewisse verstärkte demokratische Politikgestaltung erkennen.
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