Abstract
ZusammenfassungDer vorliegende Artikel beschäftigt sich auf der Basis einer ethnografischen Studie zu Fußballtraining mit der Verarbeitung von Enttäuschung und erlebtem Misserfolg in Spielanalysen des Spitzenteamsports. Dazu wird auf praxissoziologische und subjektivierungstheoretische Zugänge sowie Goffmans Theorem des Cooling out rekurriert, um Spielanalysen als soziale Praktiken zu perspektivieren. Indem sich Trainer und Spieler in diesen Analysen gegenseitig zu einem professionellen Umgang mit Enttäuschung und Misserfolg anhalten, subjektivieren sie sich zu „mitspielfähigen“ Teilnehmern des sozialen Feldes. Wichtiges Element der Analysepraktiken sind Videoaufzeichnungen, die die Rückwendung der Teilnehmer auf Spiele vermitteln und als Medien der Objektivierung spielerischer Leistungen fungieren. Wie der Artikel zeigt, werden vergangene Spielereignisse in den videovermittelten Analysepraktiken keineswegs nur anhand vorhandener, eindeutiger Kriterien von Erfolg und Misserfolg oder Leistung und Nicht-Leistung verarbeitet. Vielmehr wird der spezifische Wert einer Leistung in den Praktiken überhaupt erst festgelegt. Die Kategorien Erfolg und Leistung werden damit als Ergebnisse machtvoller Zuschreibungen und umstrittener Bewertungen erkennbar, in deren Verlauf auch die „cooler“- und „mark“-Positionen im Sinne Goffmans zur Disposition stehen. Der Artikel schließt mit einem Plädoyer für weitere soziologische Forschungen zum häufig unterschätzten Problem des Enttäuschungs‑, Misserfolgs- und Konfliktmanagements im Kontext kompetitiver Teamkollaboration im Spitzensport und darüber hinaus.
Funder
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Publisher
Springer Science and Business Media LLC
Subject
Sociology and Political Science
Reference56 articles.
1. Alkemeyer, T. (2013). Subjektivierung in sozialen Praktiken. In T. Alkemeyer, G. Budde & D. Freist (Hrsg.), Selbst-Bildungen. Soziale und kulturelle Praktiken der Subjektivierung (S. 33–68). Bielefeld: transcript.
2. Alkemeyer, T., Buschmann, N. & Michaeler, M. (2015). Kritik der Praxis. Plädoyer für eine subjektivierungstheoretische Erweiterung der Praxistheorien. In T. Alkemeyer, V. Schürmann & J. Volbers (Hrsg.), Praxis denken: Konzepte und Kritik (S. 25–50). Wiesbaden: Springer VS.
3. Bahlke, S., Cachay, K., & Borggrefe, C. (2015). „Die Ansagen sind einfach blind“ – Konflikte in der Trainer-Athlet-Kommunikation. Sport und Gesellschaft, 12, 3–38.
4. Baird, L. L. (1971). Cooling out and warming up in the junior college. Measurement and Evaluation in Guidance, 4, 160–171.
5. Bette, K.-H. (1999). Systemtheorie und Sport. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.