1. Detlev Peukert bezeichnet die frühneuzeitliche Padagogisierung der Hilfe, die, wie oben (3.2) gezeigt, sozialdisziplinierende Zucht-, Waisen- und Rettungshäuser hervorgebracht hat, treffend als die „historischen Wurzeln der Sozialpädagogik“ (Peukert 1986: 37). Ungenau ist es allerdings, von einer „sozialpädagogischen Reform” bereits im Kaiserreich (vgl. ebd.: 49ff.) zu sprechen, da die beginnende Modernisierung der Armenpflege vor dem ersten Weltkrieg nicht anhand des Begriffs Sozialpädagogik diskutiert wird. Zu dieser Zeit finden unterschiedliche Begriffe zur Bezeichnung sozialer Hilfe Verwendung, die zur Konfusion der Diskussion beitragen und erst nach dem ersten Weltkrieg weitgehend vereinheitlicht werden.
2. Genau dies erlebt die Umweltbewegung, wenn sie mit moralischen Argumenten auf die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen aufmerksam machen will. Die Wissenschaft übersetzt diese Kommunikation in adäquate Informationen und macht aus der Angst um die natürlichen Ressourcen einen wissenschaftlichen Diskurs, der in unterschiedlichen Disziplinen um völlig unterschiedliche Themen kreist, obwohl er einer Umweltevidenz entspringt.
3. Dies hat nichts mit Fortschritt oder Rückschritt zu tun. Thomas Kuhns Begriff des Paradigmenwechsels legt die Annahme nahe, daß „wissenschaftliche Revolutionen“, wie er den Wandel in wissenschaftlichen Theorien auch bezeichnet, notwendig und deswegen erstrebenswert sind (vgl. Kuhn 1979: passim, v.a. 104ff.). Die hier vertretene Sicht des Wandels wissenschaftlicher Theorien begnügt sich bewußt mit einer wissenssoziologischen Ebene, um derartige Wertungen zu vermeiden.
4. Die soziale Frage hebt Natorp als wichtigste Triebfeder zur Entwicklung des Begriffs Sozialpädagogik hervor: „Die Aufmerksamkeit auf die fast jähe Entwicklung, die das soziale Leben in unserer Zeit durchmacht, ist es gewesen, was, wie überhaupt den mächtigen Aufschwung der Sozialwissenschaften, so das Aufkommen einer sozialen Pädagogik hervorgerufen hat.“ (Natorp 1923: 92; vgl. auch oben 3.3.2.3)
5. Selbstverständlich ist an Literatur zur Geschichte sozialer Arbeit kein Mangel. Allerdings gibt es bis heute keinen Versuch, sie unter einem fest umrissenen theoretischen Gesichtspunkt zu rekonstruieren. Schon wegen der Fülle an Literatur können zur Rekonstruktion der semantischen Entwicklung des Begriffs Sozialpädagogik nur ausgewählte Schlüsseltexte herangezogen werden. Unter den aktuelleren Texten ist Münchmeier (1981) zu nennen, der der Pädagogisierung der Hilfe eine entscheidende, u.E. allerdings zu dominierende Rolle für die Entwicklung der Sozialarbeit zuschreibt. Besonders hilfreich sind die begriffsgeschichtlichen Ausführungen Franz-Michael Konrads (1993), die den erziehungswissenschaftlichen Hintergrund jedoch zu stark in den Mittelpunkt rücken und dadurch die Funktion des Begriffs Sozialpädagogik für die Hilfesemantik unterbelichtet lassen. Weitere Quellen zur Literaturrrecherche sind Brunkhorst 1988, Niemeyer 1992, Wendt 1990, Landwehr 1983 und, mit besonderem Zuschnitt auf die Jugendhilfe, Peukert 1986.