Abstract
ZusammenfassungDie Grenzen der Medizin sind ein beständiges Thema in der Geschichte der Literatur und der Popkultur ebenso wie in der medizinischen Ethik. Im Kern bezieht sich die Frage nach den Grenzen darauf, wann den Menschen betreffende Phänomene in medizinischen Kategorien gefasst, gedeutet und im Handeln adressiert werden sollen und dürfen. Aus historischer Sicht sind diese Grenzen nicht klar markiert, sondern in beständigem Fluss. Neue Techniken, wissenschaftliche Konzeptverschiebungen, gesellschaftlicher Wandel, ökonomische und politische Rahmenbedingungen sowie moralischer Wertewandel tragen dazu bei, dass vorher nicht medizinisch definierte Lebensbereiche dem Zugriff der Medizin eröffnet oder ehedem medizinisch definierte Phänomene nicht mehr auf medizinische Begriffe gebracht werden können. Ein prominentes Beispiel bietet die Homosexualität, die noch im ausgehenden 20. Jahrhundert von der Weltgesundheitsorganisation nosologisch gefasst, d. h. als Krankheit beschrieben wurde, sich dann aber medizinischen Deutungsmustern und Praktiken entzog (Conrad und Angell 2004).
Publisher
Springer Berlin Heidelberg