Evidenzbasiertes Rotwildmanagement in Deutschland: Eine Übersicht und Vorschläge für die Zukunft

Author:

Balkenhol Niko

Abstract

ZusammenfassungRothirsche, in der Jägersprache als Rotwild bezeichnet, können starke Emotionen hervorrufen und große Konflikte verursachen. Das Management von Rotwild sollte evidenzbasiert sein, sich also an wissenschaftlich gewonnenen Erkenntnissen orientieren. In diesem Kapitel fasse ich zusammen, wie solch ein evidenzbasiertes Rotwildmanagement grundsätzlich gestaltet sein sollte und welche Evidenzen es für verschiedene Aspekte des Rotwildmanagements gibt. Hierbei spielt die Jagd zwar eine wichtige Rolle, ist aber nur eine der möglichen Maßnahmen, mit denen Managementziele erreicht werden können. Ebenso ist die numerische Steuerung von Populationsgrößen bzw. -dichten in der Regel nur ein Zwischenziel im Management.Ein evidenzbasiertes Rotwildmanagement sollte adaptiv aufgebaut sein und somit immer eine Erfolgskontrolle beinhalten, durch die sowohl die Umsetzung als auch die Wirkung von Managementmaßnahmen stetig überprüft und verbessert werden können. Solch eine Erfolgskontrolle basiert auf einem Langzeit-Monitoring, das mindestens die Faktoren Populationsentwicklung, Wildzustand und Wildeinfluss beinhalten sollte.Die Verbreitung von Rotwild sowie der Austausch zwischen einzelnen Vorkommen werden in Deutschland stark von gesetzlichen Vorgaben und der Landschaftszerschneidung durch Siedlungen und Straßen bestimmt. Durch die räumliche Isolation und den damit einhergehenden geringen Genfluss zeigen einige Rotwildvorkommen bereits stark reduzierte genetische Diversität, sehr kleine genetisch-effektive Populationsgrößen und hohe Inzuchtwerte. Vor diesem Hintergrund sollte die Vernetzung der Rotwildvorkommen verbessert werden, was einerseits durch die Abschaffung rotwildfreier Gebiete erreicht werden könnte, andererseits durch Wiedervernetzungsmaßnahmen, z. B. durch Wildkorridore und Querungshilfen über Verkehrsinfrastrukturen.Rothirsche passen ihr Raum-Zeit-Verhalten und ihre Habitatwahl an eine „Landschaft der Angst“ an, die vom wahrgenommenen Mortalitätsrisiko, dem Nahrungsangebot und der Habitatstruktur abhängt. Auch Störungen durch menschliche Aktivitäten spielen hierbei eine wichtige Rolle. Wissenschaftliche Studien belegen, dass sich Rotwild durch eine Steuerung dieser Faktoren in Raum und Zeit lenken lässt, wodurch Konflikte reduziert werden können. In der Praxis kann hierfür eine Zonierung für das Flächenmanagement sowie eine Kombination aus lokaler Schwerpunkt- und großflächiger Intervallbejagung angewandt werden, über die Rotwild von bestimmten Flächen ferngehalten und auf andere Flächen gelenkt werden kann.Einige der bestehenden Abschussvorgaben für Rotwild erscheinen biologisch nicht plausibel, und es ist nicht sicher nachgewiesen, ob sie die gewünschten Effekte haben. Die Abschussplanung bzw. die dafür nötige Zuwachsberechnung erfolgt meist anhand von unbekannten Parametern zu Reproduktionsraten, Populationsstrukturen und Mortalitäten. Die hierdurch entstehenden Unsicherheiten bei der Vorhersage zukünftiger Bestandesentwicklungen sollten durch zusätzliche, populationsspezifische Forschung gemindert werden. Um Rotwildbestände über die Jagd zu reduzieren, müssen vor allem Alttiere erlegt werden, was aus Gründen des Tierschutzes den vorherigen Abschuss der geführten Kälber erfordert.Basierend auf diesen Evidenzen mache ich grundsätzliche Vorschläge für das Rotwildmanagement, schlage Schritte vor, um weitere Evidenzen zu schaffen, und identifiziere weitergehenden Forschungsbedarf.AbstractRed deer can cause strong emotions and also severe damage. Red deer management should be evidence-based and hence use scientifically derived information. In this chapter, I summarize what an evidence-based red deer management should generally look like and what evidences actually exist for different aspects of red deer management. Hunting plays an important part in this, but is just one possible action to reach management goals. Similarly, the numeric control of population abundances or densities is usually just an intermediate goal in wildlife management.An evidence-based red deer management should be adaptive and hence requires a control of success, so that implementation and effect of management actions can constantly be evaluated and improved. Such a control of success is based on a long-term monitoring that considers at least the three factors population development, animal performance, and herbivore impacts.The distribution of red deer in Germany and the exchange among populations are severely impacted by legal regulations and by landscape fragmentation due to settlements and roads. The spatial isolation and associated low levels of gene flow have already led to low genetic diversity, low genetic-effective population sizes and high inbreeding values in some populations. This calls for an improvement of connectivity among red deer populations, which could be accomplished by giving up areas where red deer are not allowed to exist, and by defragmentation measures, such as wildlife corridors and crossing structures over transportation infrastructures.Red deer adjust their space-time-behavior and habitat selection to the landscape of fear, which is shaped by the perceived mortality risk, food availability and habitat structure. Disturbances by humans also play a major role in this. Scientific research shows that red deer can be steered in space and time through these factors and that such a steering can reduce conflicts. From a practical standpoint, such steering can be accomplished by a zoning concept that combines area management, locally intensive hunting and broad-scale hunting in intervals, so that red deer are kept away from certain areas while being steered into other areas.Some of the existing harvesting guidelines appear biologically implausible and their effectiveness has not sufficiently been demonstrated. Harvest planning is often based on unknown values for reproduction rates, population structures and mortalities. This leads to high uncertainties when predicting the future development of populations, calling for population-specific research to reduce these uncertainties. To reduce red deer abundances, especially adult females need to be harvested. Due to animal welfare laws, this is usually accompanied by an increased harvest of calves.Based on these evidences, I provide general guidelines for red deer management, suggest further steps for generating additional evidences, and identify remaining research needs.

Funder

Publikationsfonds der Leibniz-Gemeinschaft

Publisher

Springer Berlin Heidelberg

Reference99 articles.

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5. Bauling S, Saborowski J, Rühe F (2013b) Das Rotwild (Cervus elaphus L.) im Solling: Dynamik, Produktivität, Mortalität und Struktur von 1981 bis 1991. Forstarchiv 84:131–143

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