1. Bei der ersten, nach der Geburt unter Ausdehnung der Lunge erfolgenden Atmung entfaltet die in die Lungen einströmende Luft aber nicht nur die Alveolen und versetzt sie in elastische Spannung, sondern gleichzeitig wird auch das Blut in die Lungengefäße eingesaugt. Die hierzu nötige Blutmenge stammt aber offenbar nicht bloß aus der Placenta, sondern auch aus den durch die Kauerstellung des Kindes im Uterus nach Braune (vgl. Beitr. z. Anat. u. Physiol., Festgabe für Carl Ludwig, Leipzig 1874, S. V.) ad maximum erschlafften und dementsprechend übermäßig gefüllten, großen Venen des Körpers, welche infolge Streckung des Körpers bei und nach der Geburt durch ihre dabei erfolgende Spannung ihr Volumen verkleinernd, sich entleeren.
2. Hieraus ergibt sich, von welch großer Bedeutung für die Leistungs- und Widerstandsfähigkeit des Körpers eines Menschen es sein muß, daß diese elastischen Kräfte vom ersten Augenblick nach der Geburt, wie auch während der gesamten, späteren Entwicklung des Brustkorbes zu möglichster Entfaltung gebracht werden, da sie den Ablauf der beiden wichtigsten Lebensfunktionen der Atmung und Blutzirkulation wesentlich mit beeinflussen, was bei der Säuglingspflege wie bei der Jugenderziehung besondere Beachtung verdient, zumal wo eine ungünstige, ererbte Anlage in dieser Richtung zu erwarten steht. Deshalb ist sogleich nach der Geburt für möglichst kräftige, tiefe Inspirationen zu sorgen. “Schreikinder — Gedeihkinder”.
3. Ein diese Tatsache bestätigender Versuch wurde schon in einer früheren Mitteilung in diesem Archiv a. a. O. S. 432 eingehend beschrieben und durch Abbildung veranschaulicht, so daß auf ihn hier verwiesen werden kann.
4. Ist doch als die das Blut in den Venen dem Herzen wieder zutreibende Kraft (die Vis a tergo) wesentlich mit die nach der Peripherie verlaufende arterielle Pulswelle zu betrachten, welche, indem sie einen intermittierenden Druck auf die umgebenden Gewebe ausübt, das Blut unter Mithilfe der Venenklappen dem Herzen zupreßt. Vgl. C. Jacobj, Grundlage der Schlafmittel (Württemb. med. Korresp.-Bl. 1909, Vortrag 29. Juni).
5. Vgl. Tigerstedt, Ergebn. d. Physiolog. 1903, Bd. II, 2, S. 538.